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1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 Teil 1 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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Krankheit.
    Daher kann ich mich nur an wenig aus den ersten Wochen erinnern. Als
ich mich schließlich wieder erholt hatte, hatten wir uns mit einem
holländischen Schiff getroffen und gingen längsseits, um Nachrichten
auszutauschen – so hieß es unter anderem, in Nihon könne man immer
weniger Handel treiben, da man bei uns mehr und mehr auf diejenigen
höre, die Ausländer als bösartig und schädigend betrachteten. Ich
erkannte, dass ich wichtigen Anteil an dieser Entscheidung haben würde.
Es galt, Nihon entweder zu öffnen oder abzuschotten und rein zu halten.
Was wir aus dem Land der Europäer mit zurückbrachten, konnte
entscheidenden Einfluss auf unsere Haltung haben, dachte ich, einen
Einfluss so groß, wie ihn die Schlacht von Sekigahara gehabt hatte.
    In den folgenden Monaten arbeitete ich auf dem Schiff und lernte die
Kunst der Navigation und des Segelns. Ein Samurai muss seine
Fähigkeiten stets verbessern, um seinem Herrn Ehre zu machen. Ich
glaubte, mein Herr Hideaki hätte das gutgeheißen. Ich sorgte dafür,
dass die Männer, die ich als Garde des Gesandten führte, regelmäßig auf
dem schwankenden Deck trainierten, und mit Freuden führte ich sie in
den Kampf gegen Piraten, als wir zweimal angegriffen wurden.
    Langsam wurde die Welt heißer und dann wieder kälter. Küsten
erschienen wie graue Bänder am Horizont und verschwanden wieder. Der
Gesandte zeigte keinerlei Interesse an dem, was dort wohl liegen
mochte. Nur selten gingen wir an Land, um Proviant aufzunehmen und
Neuigkeiten zu hören; dann segelten wir weiter. Wir sahen Länder, wo
die Eingeborenen noch dunkler sind als die Ainu von Nihon, und die Pest
kam dort mit jedem Wind. Und dann, viel später, kam jene Küste, von der
der Kapitän sagte, dies sei Spanien, die Heimat so vieler Schwarzer
Krähenpriester. Ich stand an der Reling, starrte ans Ufer und bereute
es nicht, dass wir dort nicht landen würden.
    Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir mit Erlaubnis meines Herrn schon
so viel von den europäischen Sprachen angeeignet wie möglich. Die
Mannschaft lehrte mich ein paar Worte Niederländisch und Gälisch, viel
Englisch und auch viel Portugiesisch, was mir (fälschlicherweise
vielleicht) fast wie Spanisch zu sein schien. Latein lernte ich ein
wenig aus dem heiligen Buch der schwarzen Priester, und je mehr ich
verstand, desto weniger gefiel es mir. Sie beten einen Verbrecher an,
der den Tod eines Unberührbaren gestorben und dann zum kami geworden ist, der überall und nirgends ist. Der weise Mann besänftigt die Geister, er ergibt sich ihnen nicht.
    Graues Wasser, kalter Nebel, und wir mussten ständig schwere
Wollkleidung tragen: Das war unsere Last die nächsten paar Wochen,
während das Schiff sich mühsam gen Norden kämpfte. Der Wind war gegen
uns. Meine Schwertübungen fielen mir auf dem kalten, nassen Deck immer
schwerer, und während ich als junger Mann diese Herausforderung begrüßt
hätte, übte ich nun mit präziser Effizienz, um mich nicht zu sehr nach
der Wärme von Chikuzen zu sehnen.
    In der siebten oder achten Woche in jenen Gewässern verkündete der
Kapitän, dass wir die Einfahrt eines großen Kanals erreicht hätten, auf
dessen einer Seite unser Ziel lag – England – und auf der
anderen ein weiteres Land. Ich war kühn genug, meinen Herrn, den
Gesandten, zu fragen, ob wir uns auf einen sofortigen Landgang
vorbereiten sollten. Er befahl uns, zunächst an Bord zu bleiben. Wir
würden weitersegeln, bis zur Hauptstadt, und dort würde man uns
empfangen, wie es einem daimyo geziemt.
    Ich hätte mich mit Freuden auch wie der niedrigste meiner ashigaru empfangen
lassen, hätte ich nur an Land schlafen können. Die Übelkeit, die mich
bei unserem Aufbruch aus Nihon geplagt hatte, kehrte wieder zurück.
Nachdem ich meinen ashigaru wieimmer befohlen hatte, unsere Geschenke für den englischen Kaiser zu bewachen, ging ich unter Deck und versuchte zu schlafen.
    Das Krachen eines Felsens, der die Außenwand durchschlug, weckte mich wieder.
    Kein Mann, der je auf einem sinkenden Schiff gewesen ist, vermag das
zu vergessen. Ich sprang auf, riss mir die Rüstung vom Leib und rannte
zu der Kabine, wo mein Herr, der Gesandte, die Geschenke aufbewahrte.
Dort befahl ich den ashigaru, den Gesandten mit ihrem Leben zu
beschützen und zog eine der Geschenkrüstungen in dem Glauben an,
notfalls auch in ihr schwimmen zu können. Was ich mit dem Rest machen
sollte, wusste ich nicht. Einen Augenblick lang war ich der
Verzweiflung nahe.

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