1611 - Jäger der Nacht
Plötzlich verspürte er eine Leere. Er ließ den Bewohner los, der zwei Schritte zurückging.
Beide brauchten etwas Erholung. Der Mönch fasste sich schneller.
»Wie kam sie um?«
Die Antwort bestand aus einem Schulterzucken.
»Wer war ihr Mörder?«
»Ich weiß es nicht, verflucht.« Ein Fuß trat hart gegen den Fußboden.
»Und wer könnte es wissen?«
»Nur der Mörder!«
»Okay, das nehme ich so hin. Darf ich fragen, wo die Tote jetzt ist?«
»Wir haben sie begraben.«
»Und wo?«
»Auf dem Friedhof.«
»Wo finde ich ihn?«
Der Mann deutete über seine Schulter. »Fahr bis zum Ende.«
»Gut, das werde ich machen. Zuvor will ich noch wissen, wie Wanda umgekommen ist.«
»Jemand hat ihr die Kehle zerbissen!«
Bisher hatte Stephan Kowalski immer recht schnell geantwortet. In den folgenden Sekunden stand er starr auf der Stelle. Er war geschockt und erlebte einen wahren Gedankensturm in einem Kopf.
Die Kehle durchgebissen!
Das tat kein Mensch. Dahinter musste etwas anderes stecken, und er dachte erneut an den Inhalt des Briefes.
Wanda hatte von einem Untier geschrieben. Von einer Gestalt, die es eigentlich nicht geben durfte. So ging er davon aus, dass genau sie Wanda Petric getötet hatte.
»Gut, dann weiß ich Bescheid. Gibt es hier im Ort einen konkreten Verdacht?«
»N-nein…«
»Sie lügen!«
»Keiner hat den Killer gesehen, verflucht!«
Stephan streckte ihm die Hand entgegen. »Das glaube ich Ihnen sogar. Aber ich denke, dass einige Leute hier in Lesna Bescheid wissen. Oder liege ich da falsch?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sie wollen es nicht wissen. Sie haben Angst, nicht wahr? Sie fürchten sich vor dem, was hier herumgeistert, und das nicht erst seit gestern. Wer ist es, unter dem ihr leidet?«
»Keine Ahnung.«
»Sind es die Katzen?«
Diese Frage sorgte bei dem Mann für ein Zusammenzucken. Sein Mund blieb jedoch verschlossen.
»Es sind die Katzen, nicht?«
»Ich sage nichts. Steigen Sie wieder in Ihr Auto und fahren Sie weg. Lassen Sie uns in Ruhe.«
»Später. Erst schaue ich mir das Grab an. Dann will ich wissen, vor wem Sie Angst haben.«
»Wir kommen schon zurecht.«
»Ja, das sehe ich. Auch mit den Toten?«, höhnte Stephan. »Wanda ist nicht der erste Mensch, der unter so ungewöhnlichen Umständen ums Leben gekommen ist. Darüber will niemand hier in Lesna reden, aber Wanda hat es getan. Denn ich bin hier, weil sie mich darum gebeten hatte. Und ich werde nicht ruhen, bis ich die Umstände ihres Todes aufgeklärt habe.«
Der Tscheche starrte ihn an. Wenig später schüttelte er den Kopf und fing an zu lachen. Es war ein wildes Gelächter, das damit endete, dass er mit beiden Fäusten auf den Tisch schlug, sich danach aufrecht hinstellte und Stephan regelrecht anfuhr.
»Dann geh in den Tod, Mann! Geh ruhig. Wir werden auch dich verscharren.«
Der Agent hob nur die Schultern. Er wusste genau, wann er ein Gespräch beenden musste. Jetzt war es der Fall.
Er nickte dem Tschechen noch einmal zu, drehte sich dann um und verließ das Haus…
***
Erst als er seinen Wagen erreicht hatte, ging es ihm besser. Seine Unruhe und Aufgewühltheit verschwand allmählich, und so konnte er wieder einen klaren Gedanken fassen.
Bevor er einstieg, suchte er die Umgebung mit seinen Blicken so gut wie möglich ab und musste feststellen, dass sich nichts getan hatte. Alles war so geblieben. Niemand zeigte sich im Freien, was nicht nur an der drückenden Kälte lag.
Die Richtung zum Friedhof hatte der Mann ihm gezeigt, und so stieg er ein und startete wieder. Die Scheiben waren noch nicht zugefroren.
Warme Luft strömte durch das Innere.
Stephan gingen die letzten Worte des Mannes nicht aus dem Kopf. Da kam einiges zusammen, was überhaupt nicht stimmte. Wanda Petric war ermordet worden. Man hatte sie verscharrt wie ein totes Tier, aber niemand aus dem Ort hatte die Polizei gerufen.
Das musste seinen Grund haben. Stephan kannte ihn nicht. Er ging nur davon aus, dass die Leute hier jede Menge zu verbergen hatten, und das Rätsel musste er lösen. Das war er Wanda Petric schuldig. Er wäre sich wie ein Versager vorgekommen, hätte er in diesem Fall anders gehandelt und Lesna wieder verlassen.
Und so lenkte er den Wagen in die Richtung, die ihm angezeigt worden war.
Der Agent der Weißen Macht fuhr mit seinem Croma durch eine Gasse, und als er sie verlassen hatte, verschwand die Enge. Sein Blick fiel auf ein Gebäude, das größer war als die meisten Häuser. Er sah sogar einen Turm
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