1619 - Die Vampir-Echse
auch das furchtbare Gesicht.«
Im Gegensatz zu ihrer Bekannten blieb Shao ruhig. »Das Gesicht sah also anders aus als das eines Menschen?«
»Ja, das stimmt.«
»Und wie sah es aus?«
Lisa blickte wieder auf den Gullydeckel, als sie sprach.
»Es war sehr glatt, als hätte es eine künstliche Haut. Augen, eine Nase und einen Mund. Aber der hatte es in sich. Als sie die Lippen öffnete, da huschte eine gespaltene Zunge hervor. Wie bei einer Schlange oder einer Echse. Nur war das noch nicht alles. Ich konnte noch mehr sehen, und das waren zwei Zähne, die lang und spitz von oben nach unten aus dem Oberkiefer ragten.«
Shao musste schlucken. Sie wollte ihre Verunsicherung nicht zeigen und fragte nach.
»Zwei Zähne, hast du gesagt?«
»Ja, genau. Wie bei einem Vampir. Du - du - weißt doch wie Vampire aussehen oder nicht?«
Shao lächelte in sich hinein. Und ob ich weiß, wie Vampire aussehen!, dachte sie. Aber das sagte sie nicht laut, sondern nickte nur, was Lisa beruhigte.
Sie hob die Schultern. »Du kannst mich fragen, was du willst, ich bleibe dabei. Ich bin auch nicht übergeschnappt. Ich hatte auch keine Wahnvorstellung. Ich habe dir nur gesagt, was ich gesehen habe. Daran gibt es nichts zu rütteln.«
»Das habe ich auch nicht vorgehabt, Lisa. Ich weiß, dass es Vorgänge auf dieser Welt gibt, die wir uns nicht erklären können. So manche Realität wird da über den Haufen geworfen, das ist schon wahr.«
Lisa löste sich von der Mauer, bis sie dicht an Shao herangetreten war, um nach ihren Händen zu greifen.
»Ich habe Angst, Shao, sogar große Angst. Das ist eine Gestalt, die einen Menschen bis tief in seine Träume hinein verfolgen kann. Das musst du mir wirklich glauben. Es war ein Mittelding aus Mensch und Echse. Und es war echt, Shao. Tatsächlich echt, da hat sich niemand verkleidet. Ich habe auch die Haut gesehen. Das Gesicht und der Teil vom Kinn bis zur Brust war glatt, aber nicht die Hände. Sie hätten einem Reptil gehören können. Die waren schuppig, es waren Krallen, und diese andere und schuppige Haut zog sich bis über die beiden Ellenbogen hinweg. Du kannst mir glauben, das ist die Wahrheit.«
»Ja, Lisa, ich zweifle nicht an deinen Worten. Es ist alles in Ordnung. Ich glaube dir.«
Lachend fragte sie: »Wirklich?«
»Auch wenn du es mir nicht glaubst, ich schätze dich nicht als übergeschnappt ein. Da musst du keine Sorge haben. Das wird sich alles regeln lassen.«
»Ja, hoffentlich«, sagte Lisa leise. »Ich weiß nur nicht, wie es weitergehen soll.«
»Aber ich.«
»Nein.« Das Wort rutschte Lisa so heraus, weil sie einfach zu überrascht war. Sie deutete mit der ausgestreckten Hand auf den Gullydeckel.
»Willst du etwa nachschauen?«
»Nein, ich nicht.«
»Was dann?«
Shao überlegte sich die Antwort gut. »Vorweg gesagt, ich glaube dir. So etwas bildet man sich nicht ein. Wenn es dieses Geschöpf gibt, sollte man wirklich nachforschen, wo es sich aufhält. Man muss ihm also auf der Spur bleiben.«
»Und wie willst du das bewerkstelligen?«
Shao winkte ab. »Ich nicht. Und du auch nicht, Lisa. Wir werden diesen Ort hier allerdings nicht verlassen und auf meinen Partner warten, den ich anrufen werde.«
»Deinen Suko?«
»Genau.«
»Und was passiert dann?«
Shao gab lächelnd die Antwort. »Ich bin davon überzeugt, dass er sich dafür interessiert und ihm bestimmt etwas einfällt. Darauf kannst du dich verlassen.«
Lisa hatte sich wieder gefangen. »Was soll er denn tun? Meinst du, dass er in den Schacht hier steigen soll, um das Monstrum zu verfolgen?«
»Das wird wohl so sein.«
Lisa erschrak so stark, dass sie eine Hand vor ihre Lippen presste. Sie wollte etwas fragen, das sah Shao ihr an, doch sie brachte kein Wort hervor.
»Du musst dir keine Gedanken machen, Lisa. Ich weiß schon, was ich tue, und Suko weiß es auch.«
Nach dieser Antwort holte sie ihr Handy hervor, um ihren Partner Suko anzurufen. Lisa hatte so echt und intensiv gesprochen, dass Shao ihr jedes Wort glaubte…
***
Es verging nicht mal eine Viertelstunde, da hatte Suko die beiden Frauen erreicht. Shao musste ihm nicht viel sagen, das hatte sie bereits bei ihrem Anruf getan. Jetzt wurde Suko direkt mit dem Schauplatz des Geschehens konfrontiert.
Er stand neben dem Gully und schaute auf den etwas schief liegenden Deckel. Dann blickte er zur Seite, um Lisa Dell anzusehen.
»Und Sie sind sich sicher, dass die Gestalt aus der Öffnung gekrochen ist und sich dann wieder zurückgezogen
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