164 - Der vielarmige Tod
Wasserspiegel durchbrach, war Aruula schon im Begriff, sich aus dem Wasser zu stemmen. Am Becken herrschten Chaos und Geschrei.
Karan klammerte sich an den Rand. Ein Dutzend aufgebrachte Kaàliten fuchtelten mit Messern vor seiner Nase herum.
Während er sich fragte, ob es schlimmer war, von einem Monstrum ausgesaugt oder von spitzem Eisen aufgespießt zu werden, machte es unter ihm WUMM.
Die Granate hatte gezündet!
Ein Wasserberg wölbte sich auf, schwappte als Welle über den Beckenrand hinweg und riss sämtliche Kaàliten von den Beinen. Mehrere Klingenschwinger wurden vom Wasser gegen die steinernen Saalwände geschleudert und brachen sich den Schädel oder andere Knochen.
Dann flogen zerfetztes Bestienfleisch und schenkeldicke Tentakel durch die Luft. Jetzt begriffen auch die letzten Kaàliten, dass man ihre Gottheit umgebracht hatte.
Fassungsloses Geschrei und hysterisches Gekreisch beherrschten Karans Gehör. Die Woge spült Aruula und ihn in dem Moment durch die offene Tür, als Kapitän Pofski die ersten Molotow-Cocktails durch das Loch im Zwiebelturm zu ihnen herab warf. Einen besseren Feuerschutz hätte Karan Khan sich nicht wünschen können.
Als er sich draußen im Gang aufrappelte, half er Aruula auf die Beine und zückte den Schlüsselbund. »Komm mit!«, keuchte er. »Ich wette, die Posten haben jetzt anderes zu tun, als die Türen zu bewachen!«
***
Karan fand das Seitenportal, durch das er schon zuvor in den Tempel gelangt war. Er lauschte kurz. Kein Laut! Er schloss die Tür auf und sah, dass er sich nicht geirrt hatte: Der Explosionslärm hatte die Wachen aufgeschreckt. Sie waren vermutlich ins Gebäude geeilt, um nach dem Rechten zu sehen.
Karan zog Aruula an der Hand ins Freie und reckte den Hals. Wo steckte sein Kamerad Alexander? Ah, da kam er ja!
Schon schwebte der rote Ballon zwischen dem Tempel und dem Urwald. Karan sprang wie ein Derwisch auf und ab und schrie Pofskis Namen. Die Frau, die er gerettet hatte, tat es ihm ein paar Sekunden später gleich.
Dann hörte Karan ein Zischen. Als er nach oben schaute, sah er zweierlei: Pofski hatte ihr Geschrei gehört und warf die Strickleiter hinab. Und in der Ballonhülle war ein – vermutlich von einem Armbrustbolzen hervorgerufener – Riss, aus dem mit einem flatternden Geräusch heiße Luft entwich.
»Kommt sofort an Bord!«, schrie Pofski. »Ich heize, was ich kann, aber wenn ihr mir nicht helft, sehe ich schwarz!«
»Du zuerst!« Karan bedeutete Aruula, an der Strickleiter hochzuklettern.
Sie schaute ihn an, als traue sie sich nicht, was er nun wirklich nicht verstand.
»Los, rauf!«, schrie er und versetzte ihr einen Schubs.
Der hatte ihr offenbar gefehlt: Sie kletterte so flink wie eine Katze in die Höhe. Allerdings kam sie nicht weit: Nach einem knappen Meter wurde das Zischen lauter. Aruula stieß einen Schrei aus und sprang zu Boden.
Auch Karan Khan sah sich gezwungen, sich mit einem Sprung in Sicherheit zu bringen. Es machte RUMMS und der Korb landete auf dem Boden. Der Ballon hatte zu viel Luft verloren und konnte die Last nicht mehr tragen.
Karan und Kapitän Pofski tauschten einen frustrierten Blick.
Eine Kaàlitenmeute kam aus der Pforte gestürzt, durch die Karan und seine Begleiterin geflohen waren. Sie kesselten sie mit gezückten Säbeln ein. Die Klinge des Anführers – es war der Hohepriester – schlitzte Karans Hemd auf. Die beiden nicht mehr zum Einsatz gekommenen Handgranaten fielen zu Boden. Karan hoffte, dass niemand sie beachten würde, aber er sah sich getäuscht: Einer der Vermummten, ein ziemlich großer Kerl, nahm sie an sich und ließ sie unter seiner Kutte verschwinden. So ein Dreck!
»Ihr seid alle des Todes«, fauchte der Hohepriester. »Packt sie«, befahl er seinen Leuten.
Der große Kaàlit packte Kapitän Pofski am Kragen und hob ihn aus dem Korb. Der Hohepriester stupste dem Mann in die Rippen. »Du bewachst das Ding hier!« Er trat gegen den Korb, dass es krachte. Der Ballon schwebte nun noch drei Meter über dem Korb. In einigen Minuten würde er so erschlafft sein, dass er die Oberfläche des Ofens berührte und verbrennen würde.
Kapitän Pofski musterte die Frau an Karans Seite. »Wen hast du da mitgebracht?«, fragte er. »Und wo ist Aruula?«
»Sie ist nicht Aruula?«, erwiderte Karan Khan verdutzt.
»Nein.« Die Frau schüttelte den Kopf. »Ich heiße Kira. – Ich danke dir für deinen mutigen Einsatz.«
Dann spuckte sie den Hohepriester an und trat ihm in den
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