1649 - Projekt Coma
weiß natürlich, daß wir so nicht weitermachen dürfen", sagte er. „Deshalb habe ich während der letzten zwei Tage gemeinsam mit meinem Team sämtliche Daten ausgewertet, die der erste Versuch erbracht hat. Wir sind auf erstaunliche Weise fündig geworden. Sobald du von deiner Schwester weit genug getrennt wirst, Mila, erwacht in deinem Gehirn ein bestimmter Sektor zur Aktivität. Wir haben nicht die geringste Ahnung, wieso das so ist. Wir sind nicht einmal imstande, diesem Sektor eine bestimmte Funktion zuzuordnen. Die Biologen wissen schon lange, daß über zwei Drittel des menschlichen Gehirns brachliegen. Wozu dieser Überschuß dient, weiß allerdings niemand. In deinem Fall jedoch sitzt irgendwo der Ausgangspunkt für das, was in dir vorgeht. Deine Psi-Werte sind enorm. Derselbe Ausschlag, den wir früher bei Ras Tschubai oder Fellmer Lloyd registrieren konnten."
„Irgendein Unterschied muß doch wohl bestehen!"
„Richtig, Mila." Schon wieder diese Arroganz in seinem Lächeln! „Sobald die Psi-Sektoren in deinem Hirn zum Leben erwachen, erwacht auch ein bestimmtes Schmerz-Zentrum. Das ist der Grund für deine heftige Reaktion, sobald wir dich von Nadja trennen."
„So einfach soll das sein?"
„Natürlich! Der Ausweg liegt auf der Hand. Wir verabreichen dir ein bestimmtes Medikament, das den entsprechenden Sektor in deinem Gehirn lahmlegt. Deine Psi-Funktionen werden nicht beeinträchtigt."
Plötzlich lagen auf dem Tisch zwei grüne, fingergliedgroße Kapseln. Ein gefülltes Wasserglas stand direkt daneben. Nadja griff nach den Kapseln und hielt sie prüfend an die Nase. „Kein Geruch", stellte sie fest. „Natürlich nicht", gab er zur Antwort. „Und wie lange", wollte Mila mit einem unguten Gefühl wissen, „wie lange wirkt das Zeug?"
„Eine halbe Stunde. Bei regelmäßiger Einnahme, wer weiß, vielleicht auf Dauer."
Milas Entschluß fiel im Bruchteil einer Sekunde. Allein die Aussicht, wie alle anderen Menschen frei zu sein, ließ sie aufgeregt schlucken und auf ihre Lippen beißen. Nicht, daß sie von ihrer Schwester getrennt sein wollte - doch allein die Möglichkeit war viel wert. „Gib her, Nadja."
Die Kapseln waren federleicht. Und tatsächlich, sie hatten keinerlei Geruch an sich. Mila spülte beide mit einem Schluck aus dem Wasserglas hinunter. Nichts geschah. Keine Übelkeit, kein Sausen in ihren Hirnwindungen, keine tanzenden Gespenster. „Warte ein paar Minuten ab", empfahl Porque Roban. „Die Trägersubstanzen suchen sich selbsttätig den Weg ins Hirn. Wenn sie ihr Ziel erreicht haben, geben sie den Wirkstoff frei. - Und nun kommt, wir machen es genauso wie beim ersten Mal. Ich garantiere, Mila, daß du nichts mehr spüren wirst."
Sie suchten erneut den Korridor im Zentrum der Kuppel auf, ließen sich in die Sessel schnallen und von Roban auf den Weg bringen. Hundert Meter auseinander, und ein seltsames Kribbeln erfaßte Mila. Diesmal war es nicht allein die Angst, sondern auch angespannte, freudige Erregung brach sich Bahn. Es war immerhin möglich, daß er recht hatte. Sie mochte Porque Roban nicht, doch daß er ein Fachmann war, daran bestand kein Zweifel. Zunächst 200, dann 300 Meter. Sekunden später war die 600-Meter-Marke überschritten. Bei 800 glaubte sie, ein leichtes Prickeln auf jedem Quadratzentimeter ihrer Haut zu verspüren, aber es konnte auch die Aufregung sein. Endlos lang dehnte sich die Schiene, Nadja war endlos weit entfernt. Aber Mila fühlte keinen Schmerz.
850.
880.
890.
Die kritische Marke, doch nichts geschah.
Und als sie die 950 Meter passiert hatte, glaubte sie selbst daran: Porque Roban hatte auf Anhieb einen fürchterlichen Zustand beendet, der ihr Leben lang die beiden Schwestern aneinandergekettet hatte. „Wie geht es dir, Mila?"
„Bestens!"
„Gut! Dann soll es für heute reichen."
Bevor sie protestieren konnte, fuhren die Sessel wieder aufeinander zu. Roban nahm ihnen die Kappen ab und löste die Gurte. Mila und Nadja umarmten sich so glücklich, wie sie sich selten zuvor gefühlt hatten. „Morgen geht es weiter", sagte Roban. „Dann versuchen wir, uns ein bißchen an deine Mutantengabe heranzutasten."
Für den Rest des Tages verschwanden die beiden Schwestern in ihre Kabinen. Sie waren froh, niemanden sehen zu müssen, nicht mit fremden Personen und ihren Eigenarten konfrontiert zu sein. Aber das war nicht allein heute so, sondern immer.
Und das letzte, was Mila an diesem Tag sagte, war: „Eigenartig ... Da
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