1659 - Die Totengöttin
Zwickmühle, das sahen wir ihm an. Auf der einen Seite drängte es ihn, bei der Lösung des Falls dabei zu sein, auf der anderen dachte er an Holly Goldman, die er nicht schutzlos lassen wollte.
»Bleiben Sie bitte hier. Okay?«
»Ja, Mr. Sinclair, das werde ich.«
»Gut, wir sehen uns.«
Holly Goldman hatte nichts gesagt und nur zugehört. Aber sie wirkte erleichtert und hatte an uns noch eine Bitte, die sie mit schwacher Stimme vortrug.
»Tun Sie alles, um meinen Mann zurückzuholen. Darum kann ich Sie nur bitten.«
»Das Versprechen wir«, antwortete Suko und schaffte sogar ein optimistisches Lächeln.
Anschließend hielt uns nichts mehr in diesem Haus…
***
Jane Collins hatte den Knochen nicht lange in der Hand gehalten, nachdem die kleine Flamme des Feuerzeugs erloschen war. Sie hatte ihn weggeworfen und gehört, wie er gegen ein Hindernis geprallt war. Es war sehr kurz nach dem Loslassen geschehen. Deshalb ging sie davon aus, dass ihr Gefängnis nicht sehr groß war. Und sie saß auch nicht in einem Keiler. Es war etwas anderes, in das man sie gesperrt hatte. Eine Tür hatte sie nicht gefunden beim Abtasten der Wände, aber auf irgendeine Weise musste sie schließlich in dieses Verlies gelangt sein. Da gab es für sie nur eine Möglichkeit. Wenn nicht durch die Wand, dann, durch die Decke. Jane hatte sich längst hingestellt.
Das war gerade noch zu schaffen. Zwischen ihrem Kopf und der Decke war kaum eine Handbreit Platz. Sie brauchte den Arm nicht mal auszustrecken, um die Decke ertasten zu können.
Dass sie die Folgen des Treffers fast völlig abgeschüttelt hatte, freute sie. Sie sah sich selbst wieder als fit an und wartete förmlich darauf, dass die Totengöttin zurückkehrte. Sie hatte sich innerlich darauf eingestellt. Diesmal würde sie es ihrer Feindin nicht so leicht machen.
Die alten Gebeine ließen darauf schließen, dass sie sich in einer besonderen Umgebung befand. So stand für Jane Collins fest, dass man sie in eine Gruft gesperrt hatte. Wieder zuckte die Flamme aus der Düse des Feuerzeugs hoch. Jane hatte den Kopf in den Nacken gelegt und besah sich die Decke. Grauer Stein, an einigen Stellen grünlich schimmernd, denn dort hatte sich eine dünne Pflanzenschicht abgesetzt. Die Decke war nicht aus einem Stück gefertigt worden. Stein für Stein war aneinander gefügt worden, bis sie an eine Stelle gelangte, wo das nicht mehr der Fall war. In der Nähe der Gebeine, und Jane spürte unter ihrer rechten Fußsohle einen harten Knochen. Darum kümmerte sie sich nicht. Wichtiger war die Beschaffenheit der Decke, und dort zeichnete sich bei genauerem Hinsehen ein Quadrat ab, das sich nicht aus Steinen zusammensetzte. Es war eine Steinplatte, die in die Decke eingelassen war. Für Jane war es der Eingang und der Ausgang zugleich. Auch wenn sie im Moment nicht viel damit anfangen konnte, es gab ihr doch eine gewisse Hoffnung, und sie kam sich nicht mehr so eingeschlossen vor. Sie steckte das Feuerzeug wieder weg und blieb auf der Stelle stehen, um sich zu sammeln. Jane wusste, was sie tun musste, aber sie machte sich keine Illusionen. Es bestand nur eine geringe Chance, die Platte anzuheben.
Trotzdem versuchte sie es.
Dafür ging sie in die Knie, winkelte die Arme an und drückte sie in die Höhe. Ihre Handflächen berührten das kalte und auch feuchte Gestein. Jane nahm all ihre Kraft zusammen und übte Druck aus. Es war nicht leicht, das hatte sie sich schon gedacht. Sie hörte sich keuchen und wartete auf ein leises Kratzen oder Knirschen, das ihr so etwas wie eine Bewegung anzeigte, aber das blieb ein Wunschtraum. Es war nichts zu hören und auch die Platte bewegte sich nicht.
Enttäuscht ließ Jane die Arme sinken. Sie fühlte sich als Verliererin, aber sie wusste wenigstens, dass die Gruft zu öffnen war. Nur durch die Decke konnte sie in das Verlies gelangt sein.
Jane war gezwungen, abzuwarten. Dabei konnte sie sich ausruhen. Das war das einzig Positive daran. Sie brauchte auch ihre Kräfte, denn irgendwann würde die Totengöttin wieder erscheinen, um den nächsten Schritt zu gehen.
Jane Collins ging nicht unbedingt davon aus, dass, man sie töten wollte. Sie konnte sich vorstellen, dass die andere Seite sie brauchte, und da war sie richtig gespannt. Jane atmete tief durch. Entspannen, wenn eben möglich. Ein Handy trug sie nicht bei sich. Sie ging zudem davon aus, dass sie hier unten auch keinen Empfang hatte. Weiterhin warten. Sich der Stille ergeben und darauf vertrauen,
Weitere Kostenlose Bücher