1679 - Mandragoros Geisterfrau
nachschauen, um völlig sicher zu sein. Also ging sie in die Knie, streckte den rechten Arm aus und näherte sich mit der Hand dem Gesicht. Sie stellte fest, dass die Gesichtshaut des Liegenden sehr bleich aussah. Fast wie Speck. Tot oder nicht?
Sie fühlte an der Schlagader und schrak zusammen, denn sie stellte fest, dass der Mann noch lebte.
Damit hatte sie kaum mehr gerechnet, und sie wusste sofort, dass sie ein Problem hatte…
***
Es verging knapp eine Minute, bis es ihr gelungen war, ihre Gedanken zu sortieren. Sie war allein und musste eine Entscheidung treffen. Genau das wollte Carlotta nicht. Sie brauchte einen Rat, und den konnte ihr nur Maxine Wells geben. Wenn sie flog, dann unter der Bedingung, dass sie ihr Handy mitnahm. Das hatte sie auch an diesem Abend getan. Ihre Hand zitterte, als sie den flachen Apparat aus der Tasche holte.
Carlotta stand nicht auf. Sie blieb vor dem Reglosen knien und wartete darauf, dass Maxine sich meldete, was recht schnell geschah.
»Ich bin es, Max.«
»Oh.«
»Ja, ich…«
Die Tierärztin unterbrach sie. »Wo kann ich dich finden? Bist du noch unterwegs? Ist etwas passiert?«
»Ja, ich weiß mir im Moment keinen Rat.«
»Aber dir geht es gut - oder?«
»Ja, Max. Mir schon. Vor mir liegt nur ein Mensch, von dem ich erst dachte, dass er tot sei. Zum Glück ist er nur bewusstlos, aber ich weiß nicht, wann er erwachen wird und…«
»Langsam, Carlotta, langsam. Es ist am besten, wenn du mir alles von Beginn an erzählst.«
»Gut.« Das Vogelmädchen musste sich erst sammeln. Carlotta warf auch einen Blick in die Umgebung und war froh, dass niemand zu sehen und sie allein war. Erst dann fing sie an zu reden. Sie bemühte sich, nicht zu viele Emotionen in ihren Bericht einfließen zu lassen. Sie sprach recht langsam, erzählte präzise, was ihr widerfahren war, und sie wartete darauf, dass Maxine ihr einen Rat gab.
»Gut, Carlotta. Gehen wir mal der Reihe nach vor. Wo bist du jetzt genau?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Jedenfalls nicht in einer Ortschaft und auch nicht in der Nähe.«
»Dann gibt es zwei Möglichkeiten.« Die Stimme der Tierärztin blieb ruhig. »Du könntest dir eventuell den Mann auf den Rücken laden und mit ihm zu mir fliegen.«
»Das wäre möglich.«
»Aber hör auch die zweite Alternative. Ich komme und hole dich ab. Wir machen einen prägnanten Punkt aus, wo du mich erwarten kannst. Ich komme mit dem Geländewagen, wir laden den Mann ein und schaffen ihn in unser Haus. Ich denke, das ist die bessere Möglichkeit, denn er könnte während des Fluges erwachen und einen Schock bekommen, und damit wäre keinem gedient.«
»Ja, das ist gut, Max. Daran habe ich gar nicht gedacht. Ich bin wirklich dafür.«
»Gut. Ich werde mich in den Wagen setzen. Kannst du mir ungefähr sagen, wie viele Kilometer ich zu fahren habe?«
Carlotta dachte kurz nach. »Zwanzig vielleicht.«
»Okay.«
»Aber ich bin mitten im Gelände.«
»Weiß ich. Deshalb schlage einen Treffpunkt vor.«
Da musste Carlotta nachdenken. Es gab eine Straße, die in einer Gegend wie dieser keinen Namen hatte. Carlotta ließ sich alles durch den Kopf gehen und kam zu dem Schluss, dass es nur einen Treffpunkt für sie gab. Eine Hütte, die in einem freien Gelände stand, nicht weit von einer kleinen Kreuzung entfernt. Das sagte sie der Tierärztin. Sie nannte auch die Fahrtrichtung. Immer nach Westen. Maxine Wells musste nicht lange nachdenken. Sie war oft genug in dieser Gegend umhergefahren und so wusste sie auch, wo sie diese Hütte finden konnte, die man gebaut hatte, um Wanderern Schutz vor den Unbilden des Wetters zu bieten.
»Alles klar, Carlotta. Wir wollen nur hoffen, dass dieser Mann so lange bewusstlos bleibt. Kannst du dir vorstellen, wie es dazu gekommen ist? Hat er Verletzungen, die auf etwas hindeuten?«
»Nein, ich habe nichts gesehen. Kann sein, dass es mit dem zusammenhängt, was mir aufgefallen ist.«
»Und?«
Carlotta erzählte von der Entdeckung dieser geheimnisvollen Frau, die dann so plötzlich wieder verschwunden war.
»Und das war keine Täuschung?«
»Nein, Max.«
»Okay, ich setze mich jetzt in meinen Wagen. Über alles andere reden wir später.«
»Ja, dann gute Fahrt.«
»Und gibt auf dich acht, Carlotta.«
»Mach ich doch glatt.«
Die Verbindung war beendet und das Vogelmädchen hatte das Gefühl, dass das Schicksal mal wieder zugeschlagen hatte und sie als auch Maxine Wells am Beginn eines neuen Falls standen, denn da würde noch
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