1687 - Fremde auf Titan
Der energetische Landeturm fing das Beiboot auf - und verschluckte es, bis es keine zehn Meter neben der Kuppel zum Stillstand kam. Durch einen Prallfeldtunnel schössen Medoroboter mit einer beweglichen Trage. „Sicherheitsschott öffnen", kommandierte Maarni.
Er und seine Leute gruppierten sich um den Eingang. Sie nahmen die Trage in Empfang, eine Schwebeausführung für Schwerverletzte. Vom eingebauten Kryofeld wurde der Patient umhüllt und schockgefroren. Ein grausam zugerichteter Körper lag da, ohne Lebenszeichen, von gefrostetem Blut bedeckt und höchstens notdürftig versorgt. Es war der Körper einer Frau. Der Chirurg hatte sie nie zuvor gesehen. Bestimmt keine VIP, schoß es ihm durch den Kopf, irgendein bedeutungsloser Unfall! Für den Gedanken schämte sich Maarni, denn das ärztliche Ethos kannte auch im Jahr 1212 NGZ noch keine unwichtigen Patienten. Mit dem festen Vorsatz, sie durchzubringen, ließ er den halb zerfetzten Schutzanzug vom Körper schneiden.
Medoteam Al machte sich zur Operation bereit. „Was mag passiert sein?" fragte Stommers, der Riese. „Das sind Spuren von einem Kampf."
Maarni sah ihn strafend an. „Jetzt ist das egal. Wenn du noch einen Gedanken daran verschwendest, entferne ich dich für heute aus dem Team."
Stommers wurde bleich. „Schon gut... Ich bin bei der Sache."
Ein Spezialrobot bettete den Körper ins absolut zitterfreie Antigravfeld der Operationskonsole. Die Patientin war zwar hübsch, aber bestimmt keine Schönheit. Sie war nur knapp einssiebzig groß und ziemlich gut gepolstert. Fettgewebe. Viel, aber es wird die Schnitte nicht stören. Wächst gut zusammen. Das schwarze Lockenhaar war dicht und reichte jetzt, da keine geordnete Frisur mehr existierte, bis über die Stupsnase. Die Lippen sahen etwas negroid aus, waren jedenfalls deutlich ausgeprägt. „Schläge mit einem stumpfen Gegenstand", vermutete Stommers. „Vielleicht ein Stahlträger oder ein massiver Knüppel. Daneben Kratzspuren und Quetschungen. Blutergüsse. Da wird massig Gewebe absterben."
Außer Maarni war er der einzige, der jetzt sprach. Die achtzehn anderen Teammitglieder von Al nahmen ihre Positionen ein und konzentrierten sich für den Fall, daß ihr Spezialgebiet gefordert wurde. „Ja, Stomm ... Sehr heftige Schläge. Wir haben eine Reihe von Frakturen in den Extremitäten.
Arme und Beine sind mehrfach gebrochen. Außerdem Rippenbrüche. So was sieht man selten."
Stommers tastete das Handgelenk der Frau mit einem Suchgerät ab. Seine Bewegungen wirkten sicher, professionell. „Medo-Chip implantiert", meldete er. „Ich rufe Daten ab."
Der Bildschirm zeigte ihre Blutgruppe, den durchschnittlichen Blutdruck, charakteristische Werte wie Atemfrequenz in Wach- und Schlafzustand, Regenerationsfähigkeit und körperliches Alter. Viele Menschen trugen Medo-Chips, als nützlichen Ausweis für Notfälle wie diesen. Der Name der Patientin war Kallia Nedrun.
In der Tat ein Name, den er nie gehört hatte. „Kryofeld desaktivieren", ordnete er an.
Der Hauch eines bläulichen Schimmers, der über dem Körper der Patientin gelegen hatte, erlosch. Im selben Moment fingen die Wunden wieder zu bluten an, und über den Bildschirm flimmerten erbärmlich schwache Herz- und Hirnstromwerte. „Operationskonsole schließen."
Maarni und Stommers traten zurück. Aus dem Boden fuhren Plastikblenden und kesselten den Körper samt Antigravtrage lückenlos ein. Die beiden Chirurgen nahmen in ihren Sesseln Platz. Davor bauten sich Holobilder auf, wobei die Darstellung vom Echt-Bild der Kallia Nedrun bis zum schematischen Aufriß des Körperskeletts reichte. „Stomm?"
„Ich sehe eine Schädigung der Rückenwirbel...", murmelte der Neurochirurg. „Zahlreiche Haarrisse. Ganze Nervenbündel sind durchtrennt."
„Lähmungserscheinungen?"
„Wahrscheinlich vom Hals an abwärts der ganze Körper. Das Hirn dürfte sich im Schockzustand befinden."
„Reparabel?" wollte Maarni wissen. Das Bild, das er vor Augen hatte, sah alles andere als günstig aus. „Auf jeden Fall. Ich empfehle, den Körper der Patientin komplett zu scannen. Am besten Körperzelle für Körperzelle. Chromosomenstruktur und alles. Es könnte sein, daß wir sogar einen Teil des Rückenmarks nachklonen und verpflanzen müssen. Das wird eine Höllenarbeit."
„Und wenn sie Glück hat?"
„Dann reicht es, wenn wir die durchtrennten Nervenbahnen wieder zusammenfügen. Aber auch das dauert ein paar Tage."
„Gut", entschied Maarni. „Wir
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