169 - Der Weltenwanderer
Luft in die Lungen. Sie enthielt deutlich mehr Sauerstoff als das warme Wasser, jedoch weniger als die wesentlich kühlere Luft auf dem Rotgrund.
Manil'bud blinzelte nach rechts und links. Überall wogten Dunstschleier, die Küste war in Sichtweite. Fünfhundert oder sechshundert Längen entfernt von ihr watete etwas durch glitzerndes Wasser und flirrende Luft. Etwas sehr Großes.
Achthundert Längen weiter links lag etwas Dunkelgraues auf einer Sandbank. Viel kleiner als das, was da durch das Wasser watete. Es kroch weg vom Meer und der sandigen Küste entgegen. Manil'bud öffnete nur eine ihrer drei Lidmembranen, um das dunkelgraue Ding trotz des grellen Lichtes genauer beobachten zu können. Es hatte die Größe eines ausgewachsenen Ditrydree.
Es war ein Ditrydree! Jetzt bäumte er sich auf, hob den Kopf und reckte einen Armstumpf in die Luft.
Mosh'oyot…
Manil'bud erschrak bis ins Innerste. Trotz der Hitze wurde ihr eiskalt. Obwohl sie unablässig mit den Beinen ruderte und Schwimmbewegungen mit den Armen machte, kostete es sie alle Kraft, nicht unterzugehen. Sie blickte zu dem gigantischen Tier, das ein paar Hundert Längen rechts von ihr durch das Wasser stapfte. Es glich keinem Wesen, das sie von Rotgrund kannte: Sein mächtiger Schwanz war stark wie ein fünftes Bein und peitschte baumhohe Wasserfontänen in die Luft. Es war groß wie ein junger Korallenbaum, hatte eine gelbgrün gescheckte Panzerung, und sein kantiger Schädel erinnerte noch am ehesten an den ins Monströse vergrößerten und verzerrten Schädel eines quastenschuppigen Westbarbaren.
Dunstschleier hingen zwischen Manil'bud und dem Tier.
Wahrscheinlich hatte die Bestie sie nur deswegen noch nicht entdeckt. Sie schien es auf Mosh'oyot abgesehen zu haben, denn zielstrebig stapfte sie der Landzunge entgegen, auf der er lag und mit dem Armstumpf fuchtelte, und jedes Mal, wenn ihre gewaltigen Hinterläufe ins Wasser traten, wirbelten die Schritte Wolken aus Schaum, Sand und Wasser auf.
Manil'bud blickte wieder zur Landzunge. Mosh'oyot hatte sich aufgerichtet und starrte dem räuberischen Biest entgegen.
Am Rande der Sandbank zeigte sich plötzlich ein türkisfarbener Scheitelkamm in der Brandung, und ein Ditrydree-Krieger richtete sich auf. Mosh'oyot winkte ihm mit dem Armstumpf und rief um Hilfe.
Manil'buds Blicke flogen zwischen der brüllenden Bestie und den beiden Artgenossen hin und her. Sie wusste: Mosh'oyot und sein Begleiter waren verloren. Sie tauchte zurück zum Meeresgrund…
***
Auf Gilam'eshs Anordnung hin schaltete Wanil'ama das Tunnelfeld ab. Gilam'esh hatte genug; er schloss sich in seinen Privatkuppeln ein.
Immer wieder täglich sandten Leg'wanot, Wanil'ama und die Obersten der Ditrydree Boten, um ihn zu einer Ratsversammlung zu bewegen. Leg'wanot ließ ihm eine kleine Amphore mit einer Medizin bringen. Der Bote richtete Gilam'esh die dringende Bitte des Ikairydree aus, drei Mal täglich von dem Saft zu trinken, um seinen vom Kampf angeschlagenen Körper zu stärken. Wenigstens den Gefallen tat Gilam'esh dem Obersten der Silberschuppigen.
Leg'wanot bedrängte ihn darüber hinaus mit mentalen Botschaften. Das Forscherteam wollte endlich erfahren, was der Meister des Tunnelfelds auf seiner mentalen Wanderung erlebt hatte. Doch Gilam'esh verschloss seinen Geist und wies alle Anfragen zurück. Er wollte allein sein, nichts weiter.
Für die Forscher der Ditrydree und Ikairydree um Leg'wanot und Wanil'ama und für die seit zwei Lichtern anreisenden Meister und Räte aus Gilam'eshs Heimatstadt Tarb'lhasot, aus der Ditrydree-Hauptstadt Dibr'dryn und aus anderen Städten sah es so aus, als hätte Gilam'esh sich zurückgezogen, um seine Gefährtin Manil'bud zu betrauern. Und wahrhaftig: Er litt unsäglich unter dem Verlust der Geliebten. Dennoch hatte seine selbst gewählte Isolation einen anderen Grund: Er wollte ungestört mit dem Maddrax-Geist streiten.
»Wanil'ama hat die letzte Justierung gespeichert«, beharrte Gilam'esh. »Sie kann sofort hochgefahren werden. Wir betreten den Strahl und verlassen ihn zum selben Zeitpunkt und am selben Ort wie Manil'bud. Möglicherweise lebt sie noch und wir können sie retten.«
Kein Rotgrundwesen kann an diesem Ort und zu dieser Zeit länger als ein oder zwei Umläufe überleben, hielt Matthew dagegen. Das Wasser ist viel zu warm für euch, es hat zu wenig Sauerstoff, es birgt unendlich viele Feinde, und vor allem: Ihr hättet noch Jahrmillionen voller Katastrophen vor euch, die ihr
Weitere Kostenlose Bücher