Komm, spiel mit mir: Thriller (German Edition)
Erster Teil
1.
Wanaka, 1988
D ie Einheimischen sagen, das wird ein mörderischer Sommer, der heißeste seit Jahren. Heute zum Beispiel, der erste Samstag im Dezember – Schulausflug. Können Sie sich noch an letztes Jahr erinnern? Wie aus Kübeln hat es gegossen, zum Grillen mussten wir ein Zelt besorgen. Und erinnern Sie sich an die Kinder? Nass bis auf die Haut, einige waren vor Kälte blau angelaufen. Um zwei Uhr nachmittags war alles vorbei, die Wettkämpfe mussten ausfallen.
Aber heute ist das Wetter prächtig.
Dieser Sommer hat sich nach einem dunklen, grauen Frühling urplötzlich eingestellt; in der ganzen Stadt ist die Luft durchtränkt mit dem Duft von Lavendel, warmem, frisch gemähtem Gras und gegrillten Steaks, und vom Geschrei der Kinder, die bis zur Dämmerung am See bleiben; um sechs Uhr morgens, bevor es zu heiß wird, hallen die Schritte der Jogger durch die Straßen, und nachts wacht man auf, weil die schwüle Luft fast zu schwer zum Einatmen ist.
Der Schulausflug.
Dicht an dicht liegen Handtücher und Picknickdecken nebeneinander. Grellbunte Kleckse in Rosa, Gelb und Türkis, grün-rote Karos, rot-weiße Streifen und schwarz-weiße Schachbrettmuster ziehen sich am Ufer als leuchtende Farbschneise über die silbrig schimmernden Kieselsteine.
Der See ist von einem übermütigen, reinen Blau, und der wolkenlose Himmel schimmert wie ein riesiger Ballen Seide. Am gegenüberliegenden Ufer erheben sich die mächtigen Berge, in Ufernähe braun, dahinter violett, am Horizont silbrig wie Puderzucker. Normalerweise wirken sie viel weiter entfernt, unerreichbar, aber heute ist die Luft so klar, dass man meint, man könnte den funkelnden, saphirblauen See mühelos durchschwimmen und am anderen Ufer aus dem Wasser klettern.
Aus diesem Grund lebt man in Wanaka. Der See. Die Sonne. Die Berge.
Die meisten Kinder sind unten am Wasser, einige der älteren liefern sich ein Wettschwimmen zur Boje; sie pflügen durchs Wasser, sehen sich lachend nach den Zurückgebliebenen um. Die Kleineren dümpeln in Ufernähe in aufblasbaren Kanus und auf Luftmatratzen herum wag dich nicht zu weit raus, setz die Mütze auf, komm her und lass dich eincremen. Die jungen Mütter in gelben, roten, orangefarbigen Badeanzügen und Sommerkleidern stehen im flachen Wasser und halten Kleinkinder an der Hand. Jedes Jahr ziehen neue Familien zu, die Häuser werden immer teurer, die Kinder zahlreicher. Die Schule braucht einen zusätzlichen Klassenraum, vielleicht sogar zwei.
Keine Frage, der Ort macht sich. Nächstes Jahr wird ein neues Rathaus gebaut, und demnächst eröffnet ein Fitnessstudio. McDonald’s wird kommen, am See gibt es eine neue Bar, und in Kürze macht ein weiteres Restaurant auf aber wir wollen hier kein neues Queenstown, bloß kein zweites Queenstown. Wanaka soll so bleiben, wie es ist; eine familienfreundliche Stadt, ein guter, sicherer Ort, um Kinder großzuziehen.
Die Väter stehen um den Grill herum. In den Kühlboxen jede Menge Bier, auf dem Rost Hähnchenteile und Würstchen. Zum Glück ist genug da, zum Glück ist vom Mittag jede Menge übrig geblieben. Der Tag war so schön, dass fast alle Familien zum Abendessen bleiben.
Da sind die Kings, sie sitzen ein Stück abseits der anderen, drüben am Anleger. Die meiste Zeit leben die Kinder der Kings bei ihren Großeltern, aber heute sind Mum und Dad gekommen, wahrscheinlich direkt vom Schafscheren. Sie haben zwei junge Männer mitgebracht, sie sehen aus wie Billy King, außer dass sie tätowiert sind. Haben sich beim Grill in die Schlange gestellt, aber den Rest der Zeit sind sie unter sich geblieben. Obwohl Tama, Georgie und Miri beim Wettkampf mitgemacht haben. Tama, der Kleine – der kann rennen! In seinem Jahrgang ist er Erster geworden, dann hat er sich bei den Großen angestellt und hat sie alle überholt, bloß dass er den Preis nicht kriegen durfte. Die älteren Jungs haben Stunk gemacht, weil er in der falschen Gruppe mitgelaufen ist und gegen die Regeln verstoßen hat. Womit sie recht hatten. Trotzdem, er war der Schnellste.
Am Ufer, dicht bei den anderen, sitzen die kleine Anderson und die kleine Patterson. Die beiden sind ständig zusammen, hocken immer aufeinander. In der Spielgruppe bauen sie kleine Höhlen, in die sie sich mit Teekanne, Teetassen und Puppen zurückziehen. Die anderen Kinder sind ihnen egal. Heute tragen ihre Barbiepuppen Bikini und Strohhut, und sie haben einen Pool aus Steinen gebaut und versuchen, ihn mit Wasser zu
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