1696 - Blutbeute
Simmons war unterwegs. Nur wusste sie nicht, wo das Ziel lag und was man weiterhin mit ihr vorhatte …
***
Es war einer dieser Herbstabende, den sich viele Menschen wünschten. Angenehme Temperaturen, die um fünfzehn Grad lagen und dafür sorgten, dass so manche Fenster geöffnet wurden, um frische Luft in die Wohnungen zu lassen.
Es war herrlich, das empfand auch Jane Collins. Sie stand vor dem offenen Fenster in der ersten Etage ihres Hauses und schaute hinaus auf eine Straße, deren Gehsteige noch mit Laubbäumen bepflanzt worden waren. Dazwischen parkten nicht nur Autos, es gab auch einige Laternen, die ihr künstliches Licht abstrahlten, sodass es sich auf den Blättern verteilte und ihnen manchmal eine goldene Farbe gab und sie wertvoll aussehen ließ.
Die Detektivin Jane Collins liebte diese Abende. Diese Herbstzeit, die zwar an das Vergängliche erinnerte, aber auch die Hoffnung in sich trug, denn ein paar Monate später würde die Natur wieder erholt aus ihrem Schlaf erwachen.
Jane lächelte. Sie ließ ihre Blicke und die Gedanken schweifen. Bilder wie diese liebte sie. Schon jetzt schaffte es der schwache Wind, einige Blätter zu lösen und sie durch die Luft schaukeln zu lassen, bis sie auf dem Boden oder auf den Dächern der geparkten Autos liegen blieben.
Lächelnd drehte Jane sich um. Sie ging zurück in ihr Zimmer. Der Tee war jetzt durchgezogen. Sie hob die Kanne an und schenkte eine Tasse bis zur Hälfte voll. Dann ließ sie sich in einen Sessel sinken und nahm die ersten Schlucke.
Es war auch ein Abend, an dem sie nachdenken konnte. In der letzten Zeit hatte sie keine Aufträge übernommen und sich mehr um das Erbe der verstorbenen Sarah Goldwyn gekümmert, das sie übernommen hatte. Das Geld war gut und sicher angelegt. Auch die Wirtschaftskrise hatte kaum an der Summe genagt.
Einige Summen hatte Jane auch gespendet, denn es gab genug Elend in der Welt. Sie selbst hatte durch ihren Job ein gutes Auskommen und lebte in Mayfair, einer sehr guten Gegend.
Während sie trank, dachte sie an ihren Freund John Sinclair, von dem sie lange nichts mehr gehört hatte, abgesehen von ein paar Telefonanrufen. Er hatte von Fällen berichtet, die sie nicht tangierten, und darüber war sie sogar froh gewesen, denn ein wenig Erholung konnte nicht schaden.
Wo Licht ist, da gibt es auch Schatten. Davon war auch Jane Collins nicht verschont geblieben. Der Schatten, mit dem sie zu tun hatte, hieß Justine Cavallo, die ihre Mitbewohnerin war. Nicht, dass Jane sie freiwillig ins Haus geholt hätte, diese Blutsaugerin hatte sich bei ihr eingenistet.
Jane wurde sie einfach nicht los. Eine Vampirin im Haus wohnen zu haben, das war schon krass, aber es hatte sich nun mal so ergeben. Auch deshalb, weil Justine Cavallo nicht so reagierte, wie es ein normaler Blutsauger getan hätte. Sie war jemand, die mitmischte und auch dem Geisterjäger John Sinclair schon öfter zur Seite gestanden hatte, sodass sie sich als Partnerin des Mannes fühlte, was dem nicht eben behagte. Alle Versuche, die Cavallo loszuwerden, waren gescheitert, und so lebte sie auch weiterhin in diesem Haus.
So gut es ging, gingen sich die beiden so unterschiedlichen Frauen aus dem Weg. Dass dies nicht immer möglich war, lag auf der Hand, und Jane war froh, dass sie an diesem Abend ihre Ruhe hatte und nicht von der blonden Vampirin angesprochen wurde, die etwas Besonderes war, denn sie schaffte es, sich auch tagsüber zu bewegen und musste sich nicht vor dem Sonnenlicht fürchten.
Jane genoss ihren Tee und auch die frische Abendluft, die ins Zimmer strömte. Sie saß entspannt im Sessel, die Beine hatte sie von sich gestreckt, und sie dachte darüber nach, ob sie einen bestimmten Job annehmen sollte.
Der Chef einer Elektrofirma war an sie herangetreten, um einen Mann überwachen zu lassen, der im Verdacht stand, der Konkurrenz Informationen über geheime Entwicklungen zu verkaufen.
Diese Jobs kannte sie. Sie brachten zwar Geld, waren aber auch recht langweilig, und eigentlich hatte Jane keine Lust darauf, diesen Auftrag anzunehmen.
Sie hatte die erste Tasse geleert und hob die Kanne wieder an, um sich erneut einen Schluck zu gönnen. Wie der Abend weiterhin verlaufen sollte, wusste sie noch nicht. Vielleicht ein wenig lesen oder mal im Internet surfen. Einen Film anzusehen wäre auch nicht schlecht, das wollte sie nach Lust und Laune entscheiden.
Jane war so mit ihren Gedanken beschäftigt, dass sie die Melodie des Telefons erst wahrnahm, als
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