1696 - Blutbeute
hatte.
Jane, die ihr gegenübersaß, nickte ihr zu und fragte mit leiser Stimme: »Geht es Ihnen etwas besser?«
»Ja, ein wenig.«
Jane Collins lächelte. »Das finde ich gut. Sollte sich Ihr Zustand wieder verschlechtern, dann sagen Sie es bitte, ich denke, da sind Sie in einem Krankenhaus besser aufgehoben.«
»Nein, danke, es geht schon.«
Jane schenkte ihr das Glas wieder voll, und wie nebenbei fragte sie: »Wollen Sie mir nicht erzählen, was Ihnen widerfahren ist?«
Judy schwieg. Allerdings nicht lange, denn zuerst deutete sie auf ihren linken Arm, wo noch das Pflaster klebte. »Damit hat alles begonnen.«
»Und was genau?«
»Jemand hat mit einem Messer eine Wunde hineingeschnitten und dann mein Blut getrunken.«
Jane, die vorgehabt hatte, eine Antwort zu geben, hielt ihren Mund. Ihr Gesicht nahm eine schwache Rötung an. Sie fühlte sich alles andere als wohl, denn sie war jemand, die gewisse Hintergründe kannte, ganz im Gegensatz zu ihrer Besucherin.
Judy Simmons wunderte sich, dass sie keine Reaktion erhielt, und fragte: »Glauben Sie mir nicht?«
»Doch, ich glaube Ihnen. Sehr sogar. Ich denke, dass ich sogar die Hintergründe kenne, denn man hat Sie nicht grundlos hier vor diese Haustür gelegt.«
»Dann klären Sie mich auf, bitte.«
Jane winkte mit beiden Händen ab. »Das werde ich auch tun, aber erst später. Zuvor möchte ich Ihre Geschichte erfahren. Und zwar die Einzelheiten.«
»Ja, das können Sie.« Judy musste zuvor einen Schluck trinken. Sie grübelte noch einen Moment, dann hatte sie die richtigen Worte gefunden, die sie mit leiser Stimme aussprach.
So erfuhr Jane von einer kleinen Geburtstagsfeier in einer Kneipe, in die ein Kollege eingeladen hatte. Dort war alles normal verlaufen. Man hatte getrunken, den Kollegen hochleben lassen, und Judy war irgendwann nach draußen gegangen, um frische Luft zu schnappen. Allerdings nicht vor das Lokal, sondern an dessen Rückseite. Dort gab es noch einen kleinen Biergarten, der allerdings zu dieser Zeit nicht mehr von Gästen besetzt war.
Da hatte es sie dann erwischt. Judy war von einer ihr unbekannten Frau niedergeschlagen worden, für kurze Zeit weggetreten, und war dann, als sie wieder normal denken und sehen konnte, von dieser Frau mit einem Messer am linken Oberarm verletzt worden.
»Dann hat sie das Blut getrunken.«
Jane nickte nur. Sie legte eine Hand auf die der jungen Frau, um sie zu trösten.
»Ich weiß, wie es in Ihnen aussieht, Judy, aber ich muss Sie fragen, ob noch etwas passiert ist.«
»Ja, ich erinnere mich noch daran, in einen Kofferraum gelegt worden zu sein, dann gab es nur die Dunkelheit um mich herum. Die geistige und auch die normale.«
»Verstehe. Richtig zu sich gekommen sind sie sicherlich erst hier bei mir.«
»Stimmt.«
Jane richtete ihren Blick gegen die graublauen Augen der Frau. Sie hatte ein hübsches Gesicht und das blonde Haar hing in kleinen Locken um den Kopf.
»Ich weiß nicht mehr, was los ist«, flüsterte Judy, »und was das alles zu bedeuten hat.« Sie trank wieder ein Schluck Wasser. »Warum bin ich denn gerade vor Ihre Haustür gelegt worden? Ist das ein Zufall? Oder steckt Absicht dahinter?«
»An einen Zufall glaube ich nicht.«
»Aber ich hatte doch nie etwas mit Ihnen zu tun! Oder kennen Sie diese Frau, die mich …« Sie erschrak und sprach nicht mehr weiter.
»Nein, die kenne ich nicht. Aber es kann kein Zufall gewesen sein, Judy.«
»Kennen Sie denn Zusammenhänge? Oder haben Sie vielleicht eine Idee?«
»Unter Umständen, aber Ihnen das alles zu erklären wäre im Moment einfach zu viel.«
»Und welche Frau trinkt Blut? Ich habe in meiner Panik schon an eine Vampirin gedacht, aber solche Wesen gibt es ja nicht in der Realität, denke ich.«
Jane gab darauf keine Antwort. Sie dachte nur: Wenn du wüsstest, meine Liebe.
Dann sagte sie: »Nein, das war auch keine Vampirin. Aber was immer Sie auch gedacht haben, Sie müssen davon ausgehen, dass es Menschen gibt, die Blut trinken und deshalb noch keine Vampire sind.«
»Um Gottes Willen, das ist ja …«
»Grauenhaft, ich weiß. Aber es ist leider auch eine Tatsache.«
»Haben Sie denn schon mal mit diesen Bluttrinkern Kontakt gehabt?«
»Habe ich.« Jane nickte.
»Und Sie leben noch?«, staunte Judy.
»Ja. Es gibt auch einen Grund dafür, dass ich noch lebe. Ich kann Ihnen allerdings versichern, dass ich mit diesen Unpersonen nichts zu tun habe.«
»Das glaube ich Ihnen. Ich weiß auch nicht genau, wie groß
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