1696 - Blutbeute
hineinbugsieren zu können.
Jane Collins hatte mich bereits gesehen. Als ich aus dem Wagen stieg, öffnete sie die Haustür. Lichtschein umgab sie, der bis in den Vorgarten reichte, den ich durchquerte.
Es war wie so oft. Zur Ruhe kam ich nicht. Erst vor Kurzem hatte ich mich mit den Erben Rasputins herumschlagen müssen, jetzt ging es hier weiter, und so musste ich mich wieder auf einen neuen Fall einstellen.
Als ich Jane Collins zur Begrüßung umarmte, war ihre Erleichterung zu spüren, und wenig später drückte sie diese auch in Worten aus.
»Ich bin froh, dass du hier bist, John.«
»Ist es so schlimm?«
»Nein, das nicht. Aber es könnte schlimm werden.«
»Warum?«
»Habe ich im Gefühl, John. Ich glaube, dass wir erst den Anfang erlebt haben.«
»Und wie geht es dieser Judy Simmons, von der du mir am Telefon erzählt hast?«
Sie wiegte den Kopf. »Sagen wir so: den Umständen entsprechend. Sie hat sich wieder gefangen, aber davon kannst du dir selbst ein Bild machen. Ist das okay?«
»Klar. Damit habe ich kein Problem.«
Ich betrat das Haus, das mir so bekannt und auch mit zahlreichen Erinnerungen verbunden war. Es hatte mal der Horror-Oma Lady Sarah Goldwyn gehört, die leider umgebracht worden war. Wenn ich jetzt in das Haus kam, dann hatte ich noch immer das Gefühl, dass sie plötzlich vor mir stand, um mich zu begrüßen.
Leider war das nicht mehr möglich. Umso froher war ich allerdings, dass Jane Collins das Erbe irgendwie weiter führte.
Lady Sarah hatte die unteren Räume bewohnt, hier lag auch die Küche, die groß genug war, um mehrere Personen aufzunehmen. In ihr hatten wir oft genug gesessen und diskutiert. Ebenso wie in ihrem Wohnraum, der noch immer so aussah wie zu ihren Lebzeiten. Etwas plüschig, leicht kitschig, aber irgendwie nett.
In der Küche saß eine blonde Frau, die alles andere als gesund aussah.
Es war ihr anzusehen, dass sie etwas hinter sich hatte. Als sie mich sah, hob sie den Blick und versteifte sich.
Ich lockerte ihren Zustand durch mein Lächeln auf und stellte mich noch mal vor, wobei ich ihr die Hand reichte.
Ihre fühlte sich feucht an, und ein richtiger Druck war auch nicht vorhanden. Ich bat sie, mir zu erzählen, was ihr widerfahren war.
»Ja, gut, ich will es versuchen und …«
Jane legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Keine Sorge, ich helfe Ihnen.«
Das war kein leeres Versprechen. Jane Collins war gut informiert, und ich wusste nach wenigen Minuten Bescheid, was hier genau abgelaufen war.
Natürlich stellten sich auch mir Fragen. Damit hielt ich mich nicht zurück und fragte: »Können Sie sich vorstellen, dass die andere Seite Sie bewusst ausgesucht hat?«
Judy sah mich aus großen Augen an. »Bewusst?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Dazu hätte sie mich kennen müssen, aber das ist nicht der Fall gewesen. Zudem kannte auch ich sie nicht, sie war mir völlig fremd. Aber ich habe sie lange genug gesehen, um Angst vor ihr zu bekommen. Die hatte ein so hartes Gesicht, so kalte Augen. Man sah ihr an, dass sie jemand war, der über Leichen ging.«
Ich bestätigte die Worte durch ein Nicken und sagte dann mit leiser Stimme: »Was ist denn hier mit dieser Umgebung und mit Jane Collins? War sie Ihnen auch unbekannt?«
»Ja.«
»Und von einer Justine Cavallo haben Sie ebenfalls noch nie etwas gehört?«
»So ist es.«
Da war guter Rat teuer. Ich war zu der Überzeugung gelangt, dass Judy Simmons willkürlich ausgesucht worden war. Diese dunkelhaarige Gegnerin musste sich in der Nähe des Pubs herumgetrieben haben, um nach irgendeiner Beute zu suchen, die sie dann auch gefunden hatte.
»Und Judy sollte so etwas wie ein Geschenk für Justine Cavallo sein.« Jane Collins lachte. »Sachen gibt’s, die kann man kaum glauben.«
»Vielleicht ein Friedensangebot. Die andere Seite versucht es mit einem Kompromiss, damit sie in Ruhe agieren kann. Die Halbvampire wissen, wie sehr Justine ihren Erschaffer gehasst hat. Deshalb haben sie sich entsprechende Pläne ausgedacht. Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass sie Justine füttern wollen.«
Jane Collins bestätigte meine Meinung. Erst durch ein Nicken, dann auch durch Worte.
»Sie wollen, dass sich Justine nicht selbst auf die Suche nach Nahrung machen muss. Zuerst trinken sie sich satt und sorgen dafür, dass die echte Vampirin ihren Hunger ebenfalls stillen kann.«
Auch wenn Judy Simmons erschöpft aussah, sie hatte trotzdem gehört, was wir
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