1699 - Wolfshatz
Fleisch und Blut übergegangen, und so setzte sie problemlos auf, auch wenn der Untergrund nicht eben glatt war.
Sie stand.
Durchatmen. Trotz der Kälte war ihr warm geworden. Sie schaute auf den kondensierten Atem, der vor ihren Lippen wehte, und drehte sich der Ebene zu. Dabei hielt sie ihren Blick nach unten gerichtet und sah die frischen Reifenspuren, die sich im zusammengedrückten Gras abzeichneten.
Es war alles okay. Besser hätte es nicht laufen können. Aber Carlotta wusste auch, dass der größte Teil der Arbeit noch vor ihr lag. Noch hatte sie weder von den Werwölfen etwas gehört noch gesehen. Das hatte allerdings nichts zu sagen. Sie glaubte fest daran, dass sie unterwegs waren, und wenn das zutraf, würde sie die Bestien auch finden.
Nathan Boyle!
Den Namen hatte sie nicht vergessen. Sie kannte ihn nicht persönlich, aber sie wusste, welche Aufgabe er übernommen hatte. Sein Hof lag in der Ebene, also vor ihr, aber sie konnte nicht sagen, wohin sie genau fliegen musste.
Etwa zwei Minuten hatte sich Carlotta ausgeruht, dann nahm sie die Suche wieder auf. Ihr Handy hatte sie nicht mitgenommen. Sie hoffte, dass es nicht klingelte, denn dann wäre ihre Ziehmutter erwacht, was sie auf keinen Fall wollte.
Sie stieg wieder in die Luft. Diesmal nicht zu hoch, denn sie wollte die Häuser möglichst genau erkennen. Außerdem gab es Unterschiede zwischen einem einsam stehenden Gehöft und einem Bauernhof, zu dem mehrere Gebäude gehörten.
Carlotta achtete auch auf Bewegungen unter ihr, aber bisher hatte sie weder einen Menschen noch ein Tier entdeckt. Und so glitt sie weiter durch die Luft, bewegte die Flügel nur langsam, sodass es beinahe wie im Zeitlupentempo wirkte.
Und dann sah sie das einsam stehende Gebäude!
Ob es allerdings der Hof war, den sie suchte, war beim ersten Sichtkontakt nicht zu erkennen. Jedenfalls lag er nicht weit vor ihr und sie sah in einem der beiden Häuser auch ein schwaches Licht brennen, das drei Fenster erhellte.
Sie ging noch tiefer und überlegte, wo sie landen wollte. Auf dem Dach war eine Möglichkeit, aber auch zwischen den beiden Häusern, denn dort war es dunkel.
Immer mehr Einzelheiten fielen ihr auf. So sah sie eine Weidefläche, die von einem Zaun umschlossen wurde. Noch waren die Kühe nicht alle in den Stall getrieben worden. Einige grasten noch im Freien. Wenn es den ersten Frost geben würde, mussten auch sie in den Stall.
Neben der Koppel landete sie. Weiter vor ihr befand sich der Stall, und es war zu sehen, dass eine Seite nicht geschlossen war.
Sie sah dort einige Bewegungen. Hörte auch Laute, die von Schweinen oder Kühen abgegeben wurden, aber es waren Laute, die die Tiere im Schlaf von sich gaben.
Wenn Tim Hatcher tatsächlich Werwölfe gesehen hatte und die hier ihre Heimat hatten, dann mussten sie zu finden sein. Sie hatte sich vorgenommen, alles zu durchsuchen, wollte sich aber nicht zuerst den Stall vornehmen, sondern das Wohnhaus. Werwölfe zwischen normalen Tieren fand sie als nicht wahrscheinlich.
Carlotta musste ein Stück freier Fläche überqueren, bis sie den Schutz der Stallwand erreicht hatte. Dort blieb sie erst mal stehen und war froh, nicht entdeckt worden zu sein.
Sie konzentrierte sich jetzt auf andere Geräusche und hoffte, nicht enttäuscht zu werden. Auch hier war der Untergrund weich und schlammig, aber daran hatte sie sich gewöhnt, und so ging sie weiter auf das Wohnhaus zu.
Sie schaute dabei auf die Schmalseite. Beim Herfliegen hatte sie schon festgestellt, dass sich der Eingang woanders befand. Und zwar an der breiten Seite. Genau dort wollte sie hin.
Obwohl sie bisher nichts gesehen hatte, was auf eine Gefahr hingedeutet hätte, blieb sie vorsichtig und gönnte sich erst einen Rundblick. Es war alles okay. Es gab niemanden, der ihr auflauerte, und so schlich sie weiter. Einen genauen Plan hatte sie nicht. Sie wollte erst reagieren, wenn etwas passierte.
Kein fremdes Geräusch überraschte sie. Die Stille blieb.
Plötzlich stand sie vor dem Eingang. Es war eine Bogentür, in zwei Hälften unterteilt. Beide Teile waren mit Klinken bestückt, und so konnte sie sich eine aussuchen.
Das tat sie nicht, denn nicht weit entfernt sickerte ein schwacher Lichtschein aus einem der Fenster. Geduckt schlich sie hin und musste sich noch tiefer ducken, um unter das Fenster zu gelangen.
Einige Sekunden wartete sie ab, bevor sie sich langsam in die Höhe schob, um ins Innere des Hauses zu peilen. Sehr angespannt war sie und
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