1699 - Wolfshatz
weißt du es nicht?«
»Nun ja, als sie sich aufrichteten, waren sie schon recht groß. Und auch ihr Verhalten erinnerte mich daran.«
»Was ist denn genau passiert?« Maxines Stimme hatte wieder normal geklungen, auch eine gewisse Neugierde war darin zu hören gewesen, und Carlotta hatte sich längst entschlossen, die Wahrheit zu sagen. Sie musste zuvor noch einen Schluck Tee trinken, dann fing sie an zu reden, und sie ließ dabei nichts aus.
Maxine hörte genau zu. Als Carlotta den Bauernhof erwähnte, verzog sie die Lippen. Wenig später gab sie einen ersten Kommentar ab.
»Das ist kaum zu fassen. Du hast vier dieser Werwölfe gesehen?«
»Direkt gesehen nur zwei. Ich bin vom Dach des Hauses weggeflogen, bevor ich sehen konnte, dass es die beiden anderen Werwölfe waren, die durch die Luke aufs Dach klettern wollten.« Wie knapp es tatsächlich gewesen war, hatte sie natürlich nicht erwähnt. Maxine sollte sich keine unnötigen Sorgen machen.
»Es ist die Frage, Carlotta, ob sie allein auf diesem Hof leben. Es war doch der Hof von diesem Nathan Boyle?«
»Ja, natürlich. Aber ihn habe ihn nicht gesehen. Das lässt natürlich so manche Folgerung zu.«
»Du meinst, wir können davon ausgehen, dass er nicht daran beteiligt war oder sich nur im Hintergrund gehalten hat, damit kein Verdacht auf ihn fällt?«
»Das kann beides sein. Jedenfalls ist er nicht aufgetaucht. Es blieb bei den vier Werwölfen.«
»Die in ein paar Stunden wieder zu normalen Menschen werden müssten.«
»Davon kann man ausgehen.«
Maxine Wells lächelte. »Das ist eine schlimme Angelegenheit. Ich habe nicht vergessen, was uns Tim Hatcher sagte. Es sind vier junge Menschen auf den Bauernhof geschickt worden, um ihre Resozialisierungszeit dort abzuarbeiten. Vier Menschen, vier Wölfe. Ich denke, dass man die vier Menschen zu Werwölfen hat mutieren lassen.«
»Das kann ich mir auch vorstellen.«
»Dann werden wir den Bauernhof unter Kontrolle halten müssen.« Maxine legte die Hände flach auf den Tisch. »Jetzt bin ich richtig froh, dass John bald zu uns kommt.«
»Hast du dir denn schon einen Plan zurechtgelegt?«
»Nein, Carlotta, keinen genauen. Es ist wichtig, dass John Kontakt mit diesem Nathan Boyle aufnimmt. Ich denke, dass wir uns da etwas einfallen lassen müssen. Aber das wird schon klappen, davon ich aus.«
»Und was ist mit Tim Hatcher?«
Maxine schüttelte leicht den Kopf. »Wieso? Was soll denn mit ihm sein?«
»Ich meine, willst du ihm Bescheid geben?«
»Das wäre zu überlegen, muss aber nicht sein. Ich will ihn außen vor lassen.«
»Ist vielleicht auch besser.«
Die Tierärztin hob den Blick. »Und wie geht es dir? Hast du deinen Ausflug überstanden oder verdaut?«
»Ja, schon. Ich – ich – kann mich nicht beklagen. Das ist alles okay. Zumindest jetzt.«
»Einen Verfolger hast du nicht gesehen?«
»Nein, Max.« Sie lächelte. »Ich will ja nichts sagen, aber so schnell, wie ich in der Luft bin, kann kein Werwolf am Boden sein.«
»Da stimme ich dir zu. Aber wie ich über deinen Ausflug denke, muss ich dir nicht erst sagen.«
»Aber er hat doch was gebracht.«
»In diesem Fall schon. Nur möchte ich nicht, dass du in der Zukunft irgendwelche weiteren Alleingänge startest.«
Carlotta nickte nur. Mit einer Antwort hielt sie sich zurück. Sie wollte nichts versprechen, was sie nicht halten konnte …
***
Der Flieger befand sich schon seit einiger Zeit im Landeanflug. Ich hatte mir einen Fensterplatz ausgesucht und schaute in die Tiefe. Dort war die Stadt Dundee zu sehen, auch Teile der Küste. Weiter im Osten sah ich die graue, schier endlose Fläche der Nordsee. Das Bild war mir nicht unbekannt. Ich hatte diesen Landeanflug schon so oft erlebt und war immer sicher heruntergekommen.
Auch an diesem Tag setzte die Maschine gut auf, und sie war sogar pünktlich. Hätte ich Hunger gehabt, ich hätte jetzt zum Mittagessen gehen können.
Wichtiger war meine Freundin Maxine, die auf mich warten würde. Nach der Landung gab es so gut wie keinen Aufenthalt für mich. Meine Beretta hatte mir der Pilot mit einem Lächeln zurückgegeben und mir alles Gute gewünscht.
Und dann sah ich Maxine. Sie stand dort, wo einige Leute auf die Fluggäste warteten, und ich sah ihre blonden Haare, die fast einer Sturmfrisur glichen. Wenig später flog sie mir in die Arme. Die Begrüßung war sehr herzlich, und ich musste daran denken, dass es zwischen uns schon intime Situationen gegeben hatte. Darauf wollte ich Maxine
Weitere Kostenlose Bücher