1699 - Wolfshatz
und blieb im Flur stehen.
Wenig später wussten auch Suko und Shao Bescheid. Sie wollte sofort ein Flugticket über das Internet bestellen, denn Suko wollte nicht mit.
»Ich halte dann hier in London die Stellung.«
»Tu das.«
»Und nicht, dass du als Werwolf zurückkommst!«, rief Shao mir noch nach.
»Keine Sorge, ich werde mich vorher mit einer Silberlackierung bestreichen. Das hält sie ab …«
***
Das Vogelmädchen Carlotta war in ihr Zimmer gegangen, stand vor dem Fenster und schaute in die Dunkelheit. Sie war heilfroh, gelauscht zu haben, denn jetzt wusste sie, um was es ging.
Sie waren also wieder da. Werwölfe. Und sie verspürte einen Schauer, als sie daran dachte. Aber ihre Gedanken drehten sich auch um eine ganz andere Sache, die ihr im Kopf herumspukte und sie einfach nicht loslassen wollte.
Sie war diejenige, die fliegen konnte. Und sie flog auch gern in der Dunkelheit. Dann konnte sie nicht gesehen werden, aber sie sah alles, was unter ihr lag.
Und das wollte sie auch in dieser Nacht ausnutzen. Sie wusste ja jetzt, wo die Ebene lag, in der die Werwölfe aufgetaucht waren.
Bei ihren Ausflügen hatte sie sich häufiger dort bewegt. Nichts war ihr da neu, und dort störte sie auch die Dunkelheit nicht. Natürlich wollte sie ihrer Ziehmutter nichts davon sagen. Maxine hätte alles versucht, um sie im Haus zu halten, und genau das wollte sie nicht.
Auf leisen Sohlen verließ Carlotta das Zimmer. Sie trat in den Flur und lief zur Tür, hinter der die Tierärztin schlief. Zu hören war nichts, aber Carlotta wollte auf Nummer sicher gehen und zog die Tür behutsam auf.
Jetzt hörte sie etwas. Es waren genau die Geräusche, die sie zum Lächeln brachten, denn sie vernahm das Atmen, das sehr regelmäßig klang. Zufrieden zog sie die Tür wieder zu und huschte dann hin zur Garderobe, wo die dicke Kleidung hing.
Die Winterjacke war schnell gefunden. Sie hatte einen besonderen Schnitt, der den Rücken freiließ und Carlottas Flügeln somit Bewegungsfreiheit gab. Sie nahm auch ihre gefütterten Handschuhe mit und setzte zum Schluss die Wollmütze auf, die sie bis über beide Ohren zog, sodass ihr blondes Haar verdeckt wurde.
Danach schlich sie auf leisen Sohlen zur Haustür. Für einen Moment blieb sie stehen, bevor sie die Tür spaltbreit öffnete und einen ersten Blick nach draußen warf. Die kühle Luft traf ihr Gesicht, und jetzt war sie froh, sich dick angezogen zu haben, denn in der Höhe herrschte immer ein Wind, der in ihre Haut stach.
Sie lief nach draußen und suchte sich eine besonders dunkle Stelle nahe der Bäume aus. Einige Lockerungsübungen gehörten immer dazu. Dann erst nahm sie einen Anlauf, und während sie lief, breitete sie bereits die Flügel aus.
Carlotta hob ab.
Schnell gewann sie an Höhe. Als sie die richtige erreicht hatte, stieß sie einen Jubelschrei aus, denn ab jetzt fühlte sich das Vogelmädchen in seinem Element …
***
Bedingt durch die Windstille wurde es ein ruhiger Flug. Am liebsten hätte Carlotta vor Glück gejubelt, aber da konnte sie sich beherrschen. Es war für sie allein wichtig, ihre Fähigkeiten auszuspielen, denn sie fühlte sich wie ein Scout, der dabei war, das Terrain zu sondieren.
Die Stadt lag bald hinter ihr. Zudem lebte Carlotta in einem westlichen Vorort, wo es sowieso beinahe schon ländlich war. Die wenigen Lichter verschwanden, sie verlor an Höhe und flog so, dass sie alles, was sich am Erdboden befand, erkannte.
Er war nicht nur eine schwarze unebene Fläche, sondern zeigte durch das Mondlicht einen hellen, silbrigen Glanz, der vor allen Dingen von den kleinen Gewässern stammte, die sich in der Landschaft verteilten. Trotz der Dunkelheit gefiel ihr das Bild, das sie sah.
Leer war die Landschaft nicht. Hin und wieder entdeckte sie ein einsam stehendes Haus, ein Gehöft oder auch mal einen Bauernhof. Nicht alle Fenster waren erleuchtet, sodass der Blick in die Tiefe ihr hin und wieder vorkam wie die Sicht ins All. Da wurden dann aus den Lichtern funkelnde Sterne.
Carlotta spürte den Wind. Er wehte schneidend gegen ihre Haut. Und so war sie froh, sich noch einen Schal umgebunden zu haben, der sie gegen die Kälte schützte.
Und sie war froh darüber, genau zugehört zu haben, denn so wusste sie, wo Tim Hatcher mit seinem Wagen gestanden hatte und von den Wölfen überfallen worden war.
Der Ort musste sich finden lassen, und sie fand ihn auch, als sie tiefer ging. Der schmale Feldweg war ihre Landebahn. Das Landen war ihr in
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