17 - Im Schatten des Grossherrn 06 - Der Schut
verstehe dich“, erwiderte Halef. „Du willst mich durch dein Versprechen täuschen. Wenn ich dann alles gesagt habe, so lacht ihr mich aus und haltet nicht Wort.“
„Wir werden Wort halten.“
„Schwörst du es mir zu?“
„Ich schwöre es dir zu bei allem, was ich glaube und verehre. Nun entschließe dich schnell, denn die Stimmung der Gnade hält bei mir nicht lange an.“
Halef tat so, als ob er ein kleines Weilchen nachdächte und sagte dann:
„Was habe ich von dem Effendi, wenn ich tot bin? Gar nichts! Ich ziehe es vor, zu leben, und will euch also Auskunft erteilen.“
„Das ist dein Glück!“ sagte Manach. „Also sage uns zunächst, wer dein Herr eigentlich ist?“
„Habt ihr denn nicht gehört, daß er ein Deutscher ist?“
„Ja, das hat man uns gesagt.“
„Und ihr glaubt es auch? Kann ein Deutscher alle drei Pässe von dem Großherrn haben mit dem Siegel des Veziers darunter?“
„So ist er wohl gar nicht ein Nemtsche?“
„Das fällt ihm nicht ein!“
„Aber ein Giaur ist er?“
„Auch nicht. Er verstellt sich, damit man nicht ahnen soll, wer er ist.“
„Dann also heraus damit! Wer ist er?“
Halef machte ein überaus wichtiges Gesicht und antwortete:
„Seinem ganzen Auftreten nach müßt ihr doch einsehen, daß er kein Kütschük jijit (kleiner Mann), sondern etwas ganz Außerordentliches ist. Ich habe schwören müssen, sein Geheimnis nicht zu verraten; aber wenn ich nicht spreche, so tötet ihr mich, und der Tod hebt alle Schwüre auf. So sollt ihr denn erfahren, daß er ein fremder Schahnameh (Königssohn) ist.“
„Hund! Willst du uns belügen?“
„Wenn ihr es nicht glaubt, so ist es nicht meine Schuld.“
„Soll er etwa gar ein Sohn des Großherrn sein!“
„Nein. Ich habe doch gesagt, daß er fremd sei.“
„Aus welchem Lande?“
„Aus Hindistan (Indien), welches jenseits Persiens liegt.“
„Warum ist er nicht dort geblieben? Warum reitet er bei uns im Lande umher?“
„Um sich ein Weib zu suchen.“
„Ein – Weib?“ fragte Manach el Barscha, aber nicht etwa im Ton des Erstaunens, sondern mit einer Miene, welche ein Deutscher sehen läßt, wenn er das Wort ‚Aha!‘ ausruft.
Die Aussage des Hadschi erschien diesen Leuten gar nicht so unglaublich. Hunderte von morgenländischen Märchen behandeln das Thema von dem Fürstensohn, welcher unerkannt im Land herumzieht, um sich die Schönste der Schönsten, welche natürlich stets die Tochter blutarmer Leute ist, zur Frau zu erkiesen. Dies konnte ja auch hier der Fall sein.
„Warum aber sucht er grad hier im Land der Skipetaren?“ lautete die nächste Frage.
„Weil es hier die schönsten Töchter gibt und weil es ihm geträumt hat, daß er die Blume seines Harems hier finden werde.“
„So mag er nach ihr suchen! Aber was hat er sich um uns zu kümmern?“
Den Kleinen kitzelte der Schalk trotz der bösen Lage, in welcher er sich befand. Er antwortete im ernstesten Ton:
„Um euch? Das fällt mir gar nicht ein. Er hat es nur mit dem Mübarek zu tun.“
„Inwiefern?“
„Weil er im Traum den Vater der Schönsten gesehen hat und auch die Stadt, in welcher er ihn finden soll. Die Stadt ist Ostromdscha, und der Vater ist der alte Mübarek. Warum flüchtet sich derselbe vor meinem Herrn? Er mag ihm seine Tochter geben, so wird er als Kain ata (Schwiegervater) des reichsten indischen Fürsten große Macht erlangen.“
Da ertönte aus dem Nebenraum die schnarrende Stimme des Verwundeten:
„Schweig, du Sohn einer Hündin! Ich habe nie im Leben eine Tochter gehabt. Deine Zunge hängt voll Lügen, wie die Nessel voll von Raupen. Meinst du denn, ich wisse nicht, wer dein Herr ist, dem ich die Qualen der zehntausend Höllen wünsche? Trägt er nicht das Hamaïl noch heute an seinem Hals, obgleich er ein verfluchter Sohn der Ungläubigen ist? Ich habe es bisher verschwiegen, denn ich wollte die Rache allein genießen. Aber deine Lüge ist so groß, daß sie mir in den Ohren brennt. Ich muß nun sagen, was ich weiß, und darf nicht länger schweigen.“
„Was ist's, was ist's?“ fragten die anderen.
„Wisset, ihr Leute, daß dieser Fremde nichts ist, als ein verfluchter Riswaidschi (Schänder) der Erazü mübarek! (Heilige Orte). Ich habe ihn in Mekka gesehen, in der Stadt der Anbetung. Er wurde erkannt; ich stand neben ihm und streckte die Hand zuerst nach ihm aus, aber der Scheïtan stand ihm bei, daß er entkam. Und dieser Hadschi Halef Omar war bei ihm und hat ihm geholfen, das
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