170 - Hüte den Speer - Magiure, Margo
Keelin wollte sich diese Schwäche nicht erlauben, hielt an und versuchte, sich in dem heftigen Schneetreiben zurechtzufinden.
Sie hatte keinen Anhaltspunkt, einzig und allein die Hügel waren in einiger Entfernung zu erahnen. Ihre Spuren wurden rasch vom neuen Schnee bedeckt.
Sie wusste nicht mehr weiter.
Ihre letzte Hoffnung bestand darin, ihrem Gespür für die Lanze zu folgen. Vielleicht brauchte der Dieb ihre Hilfe ebenso wie sie die seine.
Als sie die Siedlung erreichten, traf Marcus auf zwei Ritter aus Wrexton. Sie schienen sich auf einen längeren Ritt eingestellt zu haben.
„Mylord, wir wollten gerade aufbrechen, um Euch zu suchen!“
„Will und Robert, schafft die Gefangenen zum Sheriff und erhebt Anklage gegen sie“, ordnete Marcus an und wandte sich an die beiden Ritter. „Ihr bringt die Falken zurück zur Burg und sorgt dafür, dass die Tiere zur Ruhe kommen. Ich werde …“
„Verzeiht, Mylord, aber Lady Keelin ist nicht mehr da!“
Marcus sah ihn bestürzt an. Seine schlimmste Befürchtung wurde nun zur Gewissheit. Keelin war dort draußen in dem Sturm und suchte die Heilige Lanze.
Wie konnte sie nur so töricht sein? Was war in sie gefahren, allein aufzubrechen?
„Gebt mir eure zusätzlichen Umhänge …“
„Wir haben Decken dabei, Mylord“, sagte der Ritter, zog sie aus einem Bündel auf dem Pferderücken hervor und reichte sie dem Grafen. „Und Vorräte.“
„Gut. Kehrt nach Wrexton zurück“, fügte er hinzu. „Sorgt dafür, dass Ordnung in der Großen Halle herrscht und sucht Beatrice. Sperrt sie irgendwo ein.“
„Aber, Mylord …“
„Tut, was ich sage“, befahl Marcus, als er sein Pferd wendete, um sich erneut in das Schneetreiben hinauszuwagen. „Niemand verlässt die Burg“, rief er, als er davonritt. „Ich komme, sobald ich Lady Keelin gefunden habe.“
Sie musste Richtung Westen geritten sein. Marcus war bereits nach Süden geritten und wusste, dass der Dieb, der die Lanze gestohlen hatte, nicht denselben Weg wie die anderen beiden Schurken eingeschlagen hatte. Im Norden gab es hohe Felsen, die man bei diesem Wetter wohl nur schwerlich, wenn überhaupt, erklimmen konnte, und im Osten lag der Fluss, den man kaum überqueren konnte.
Marcus konnte bei dem seltsam gebrochenen Licht des Sturms keine Spur ausmachen, aber er sah kleine Kuhlen im Schnee, die er für halb verwehte Hufabdrücke hielt. Er folgte diesen unsicheren Spuren, in der Hoffnung, dass Keelin diesen Weg genommen hatte.
Noch nie in seinem Leben hatte er so viel Angst und Sorge gehabt. War sie warm genug angezogen, um nicht in Eis und Schnee zu erfrieren? Ritt sie mittlerweile im Kreis, da sie in dem Sturm keinen Unterschlupf fand?
Schlimmer noch, war sie bereite auf den Dieb gestoßen?
Er wusste, wer der Schurke war. Der Mann hatte sich zusammen mit seinem Bruder als Ritter ausgegeben, doch Marcus hatte seinen Worten wenig Glauben geschenkt. Vermutlich waren es zwei Gesetzesbrecher, die sich auf der Flucht befanden. Zunächst hatte Marcus daran gedacht, die zwielichtigen Gestalten trotz des Unwetters hinauswerfen zu lassen, doch dann war es ihm sinnvoller erschienen, die beiden in der Halle zu wissen, wo er sie im Auge behalten konnte.
Nun, so viel zu diesem Plan.
Jetzt hatte Keelin ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um die verfluchte Lanze zu retten, jenen Gegenstand, der sie zwang, Wrexton zu verlassen und nach Irland zurückzukehren. Wenn die verdammungswürdige Lanze hingegen für immer verschwunden bliebe, würde Keelin sich dann weiterhin gezwungen sehen, nach Hause zurückzukehren? Marcus war sich sicher, sie überzeugen zu können, bei ihm zu bleiben und seine Frau zu werden, wenn es keine Lanze mehr gäbe.
Vielleicht sollte er dem Dieb sogar Glück wünschen.
Er verwarf diesen Gedanken, denn er wusste, was das Heiligtum Keelin bedeutete. Der Verlust würde ihr schlichtweg das Herz brechen. Marcus nahm sich vor, alles in seiner Macht Stehende zu unternehmen, um die Lanze zu finden und ihr zurückzugeben.
Damit sie die Lanze zurück nach Carrauntoohil bringen könnte.
Sie würde indes nicht alleine aufbrechen. Wenn sich das Wetter besserte und die Wege frei wären, würde Marcus mit ihr ziehen. Er würde mit Keelin nach Irland reisen und alles daransetzen, sie davon abzuhalten, einen wilden keltischen Clanführer zu ehelichen.
Widerwillig dachte er darüber nach, dass Eocaidh O’Shea für seine Tochter vielleicht einen Ehemann ausgesucht hatte, der den barbarischen Söldnern des
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