170 - Hüte den Speer - Magiure, Margo
unmittelbare Gefahr bestand, aber der Graf hatte allen Grund, ihren Worten zu misstrauen. Denn immerhin war ein Kelte nahe der Hütte aufgetaucht.
Keelin hatte indes nicht die Absicht, diesem Mann ihre seltsame Gabe zu offenbaren. Dass auch sie eine Keltin war, mochte Grund genug für den jungen Engländer sein, sie ebenfalls zu hassen. Außerdem wollte sie dem Ritter keinen Anlass geben, sie der Hexerei zu bezichtigen.
Marcus räusperte sich. „Dann bereitet Euch darauf vor, diesen Ort in zwei Tagen zu verlassen“, sagte er. Es klang wie ein Befehl. „Ihr werdet uns mit Eurem Onkel nach Wrexton begleiten.“
„Wir werden bereit sein“, erwiderte Keelin erleichtert. Genau das hatte sie sich erhofft. Die Aussicht, Onkel Tiarnan sicher in den Mauern von Wrexton unterzubringen, beruhigte sie. Danach würde sie endlich nach Kerry aufbrechen können. „Wie weit ist es von hier nach Wrexton, Mylord?“, fragte sie.
Der Graf räusperte sich erneut und wich ein wenig vor Keelin zurück, bevor er antwortete. „Wenn man schnell reiten kann, sind es nur wenige Stunden, aber mit den Verwundeten werden wir sehr viel länger brauchen.“
In diesem Augenblick klopfte jemand an die Tür der Bauernkate. Sir Edward öffnete und ließ einen der Ritter eintreten.
„Mylord“, sagte der Mann und nahm seinen Helm ab. „Reiter nähern sich.“
Keelin hielt angsterfüllt die Luft an, und Marcus war sofort auf den Beinen. Er griff nach dem Schwert an seiner Seite. „Sind die Männer bereit?“, fragte er, doch es bestand kein Grund, seinen Gefährten nicht zu vertrauen.
„Ja, Mylord“, erwiderte der Ritter, „wir sind auf alles gefasst.“
„Dann lasst uns sehen, mit wem wir es zu tun haben.“
„Sind es diese Krieger – kommen sie zurück?“, fragte Adam voller Angst, nachdem Marcus die Hütte verlassen hatte.
Keelin ging zu dem Jungen. „Nein“, beruhigte sie ihn, „zumindest glaube ich es nicht.“ Sie war sich sicher, dass sie jedwede Gefahr gespürt hätte. Obgleich sie nicht wusste, wer die Reiter waren, fühlte sie keine Bedrohung. Dennoch wollte sie sich vergewissern. „Onkel?“
„Ich weiß es nicht, Mädchen.“
„Nun, mein Junge“, sagte sie, als sie sich eine Decke um die Schultern legte und sich neben das Strohlager von Adam setzte, „wir müssen so lange warten, bis dein Vetter mit Neuigkeiten zurückkehrt.“
3. KAPITEL
Mochten die Reiter Freund oder Feind sein, Marcus war erleichtert, eine Atempause zu haben. Er befürchtete, dass ihm irgendein peinlicher Fehltritt unterlaufen wäre, wenn er noch einen Moment länger bei Lady Keelin verweilt hätte. Er konnte von Glück reden, dass er ihr nicht ungeschickt auf die zierlichen Füße getreten war oder irgendetwas Dümmliches von sich gegeben hatte.
Die Reiter erreichten nun die Hütte und gaben sich im Schein des Feuers zu erkennen. Es waren die Männer von Nicholas Hawken, die den versprengten Kelten ohne Erfolg hinterhergejagt waren und später die toten Feinde notdürftig verscharrt hatten. Es gab nichts Neues zu berichten, und so bereiteten sich die Ritter aus Wrexton und Kirkham gemeinsam auf die Nachtruhe vor. Wachen wurden aufgestellt, und man verabredete, wer sich um die Verwundeten kümmerte.
Marcus jedoch schritt rastlos im Lager auf und ab und fand keine Ruhe. Es war seine Pflicht, an Adams Seite zu wachen, aber es bereitete ihm Unbehagen, wieder in die enge Behausung zurückzukehren. Denn dann wäre er gezwungen, die Nacht mit Keelin O’Shea unter einem Dach zu verbringen …
Er errötete bei dem bloßen Gedanken, obgleich daran nichts Anstößiges war.
Dann verfluchte er sich im Stillen. Er war jetzt ein Graf, und es war an der Zeit, endlich diese lächerliche Schüchternheit in Gegenwart einer Frau zu überwinden. Immerhin war es ihm gelungen, zusammenhängend mit Keelin O’Shea zu sprechen. Und er würde es wieder schaffen.
Es musste ihm erneut gelingen.
Marcus hörte die gedämpften Stimmen der Ritter, das leise Wiehern der Pferde und die knackenden Geräusche des prasselnden Feuers. Der Himmel war schwarz und sternenlos. Morgen gibt es Regen, dachte er. Schließlich griff er in seine Satteltasche, holte zwei Decken heraus, nahm all seinen Mut zusammen und ging zurück zur Hütte.
Keelin verabreichte Adam einen Schluck ihres kostbaren Baldrians. Dann kauerte sie sich neben die Schlafstatt des Jungen und wartete so lange, bis der Kleine eingeschlafen war. Nun war es ruhig und friedlich in der kleinen
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