170 - Hüte den Speer - Magiure, Margo
den Blick über die Käfige und die prachtvollen Vögel schweifen, und in ihrer Bewunderung vergaß sie augenblicklich die Suche nach Ga Buidhe an Lamhaigh .
„Glaubt Ihr, Lord Wrexton hätte etwas dagegen, wenn ich näher zu den Tieren gehe?“
Gerald schüttelte den Kopf. „Das glaube ich kaum“, erwiderte er. „Die Tiere sind sehr gut ausgebildet. Sie lassen sich nicht so schnell aus der Fassung bringen.“
Keelin ging zum anderen Ende des Raumes und sprach leise mit den Gerfalken, die in Schulterhöhe nebeneinander hockten. Die Vögel betrachteten sie vorsichtig, aber sie verstand es, sie mit ihrer weichen, melodischen Stimme zu beruhigen.
Auf weiteren Stangen in unterschiedlicher Höhe saßen Wanderfalken und Würgfalken neben kleineren Habichten und Sperbern. „Sieh an“, wisperte Keelin, als sie zweier Nestlinge ansichtig wurde. Sie beugte sich zu ihnen hinab, und die beiden Jungvögel sahen sie an. „Schaut her. Wie hübsch werdet ihr erst sein, wenn ihr groß seid.“
„Ich hoffe, dass die beiden Damen wild und zupackend werden und nicht bloß hübsch“, sagte Marcus. Der Kies knirschte unter seinen Schritten, als er näher kam.
Keelin lächelte. „Aber seht doch, wie prächtig sie sind!“
Der Graf zog es indes vor, seinen Gast anzuschauen.
Das Haar der jungen Irin war zerzaust, ihre Kleidung stellenweise verschmutzt, und auch ihre Wange wies einen Fleck auf. Sie sah aus, als hätte sie mitgeholfen, die Überreste der abgebrannten Stallungen fortzuschaffen. Marcus traute dieser bemerkenswerten Frau einen derartigen Einsatz ohne weiteres zu.
Doch sie musste ihr Haar gewaschen haben, denn es schimmerte weich in der Abenddämmerung. Nichts deutete noch auf die klaffende Wunde hin, die am Abend zuvor ihre Stirn verunstaltet hatte. Seine Hände sehnten sich danach, ihre seidige, verführerische Haarpracht zu berühren, die sich ihm unbedeckt und in ihrer ganzen Fülle darbot.
„Verzeihung, Mylord“, sagte der Falkner.
Marcus und Keelin drehten sich zur gleichen Zeit um.
„Ich werde jetzt gehen“, fuhr Gerald fort, als er seine Kapuze aufsetzte und sich in seinen Mantel hüllte. „Morgen gehen wir also auf die Jagd?“
„Ja“, erwiderte der Graf. „Bei Tagesanbruch, wenn es das Wetter zulässt.“
Gerald nickte kurz. „Es wird wohl kalt werden, aber noch nicht schneien.“
Marcus pflichtete ihm bei, dass mit Schneefall noch nicht zu rechnen sei, doch er verschwendete keinen weiteren Gedanken an seinen Falkner oder die Ereignisse des kommenden Tages. Keelin O’Shea nahm seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Mittlerweile überraschte es ihn nicht mehr, dass er sich in ihrer Gegenwart außerordentlich wohlfühlte. Immerhin hätte er sich vor mehr als einer Woche gar nicht vorstellen können, mit einer schönen Frau auch nur ein Wort zu wechseln.
Bewundernd sah er auf ihre Hände, die so zierlich waren und wunderbare Heilkräfte besaßen. Aus ihren strahlenden Augen sprachen ein hellwacher Geist und große Wissbegier. Er konnte an nichts anderes denken, als ihren zarten Körper zu berühren.
„Euer Kopf …“, sagte er. „Bereitet die Wunde Euch noch Schmerzen?“
„Nein“, antwortete sie. „Zumindest nicht sonderlich. Habe ich mich eigentlich schon für Eure Hilfe bedankt?“
Er nickte nur, denn ihr Lächeln hatte ihm die Sprache verschlagen.
„Mein Vater züchtete Vögel in Carrauntoohil“, sagte sie unvermittelt.
Marcus nahm ihren würzigen Duft wahr und musste unwillkürlich an all die Kräuter denken, die sie sorgfältig in den Lederbeutelchen aufbewahrte. Er betrachtete ihre vollen, feuchten Lippen, und es kam ihm so vor, als hätte er sie vor über einer Woche geküsst und nicht erst tags zuvor.
„Habt ihr je gemeinsam mit Eurem Vater gejagt?“,fragte er, nur um etwas zu sagen, denn er wollte, dass sie blieb und mehr erzählte.
„Nein“, erwiderte Keelin mit einem traurigen Lachen. „Er hätte niemals einer Frau – schon gar nicht einem kleinen Mädchen wie mir – erlaubt, auch nur in die Nähe der Tiere zu kommen.“ Plötzlich wurde sie sehr ernst. „Macht es Euch etwas aus, dass ich mich hier inmitten Eurer herrlichen Greifvögel aufhalte?“
Er schüttelte den Kopf. „Gewiss nicht“, antwortete er und überlegte fieberhaft, wie er es anstellen könnte, dass Keelin länger in Wrexton bliebe. „Vielleicht würdet Ihr uns ja in der Frühe gerne begleiten?“
„Zur Jagd meint Ihr?“, fragte Keelin, und ihre Augen leuchteten vor Freude.
Marcus
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