170 - Logbuch der Hölle
breitete die Arme aus, um Jeff Parker überschwenglich zu begrüßen. „Ich hoffe, du bringst genug Zeit mit - so schnell werde ich dich nicht gehen lassen."
Parker entzog sich behutsam der Umarmung und stellte Unga vor.
„Kommt", rief d'Alessandro. „Ihr müßt den Rest der Crew kennenlerne n. Dann werden wir ein paar Flaschen Champagner köpfen, während das Personal eure Sachen zum Schiff bringt." „Kein Alkohol", wehrte Parker ab.
„Ach was, das gehört dazu", rief d'Alessandro.
Das Innere des Hauses entsprach dem ersten äußeren Eindruck; Jaime d'Alessandro hatte offenkundig viel Geld, wenn er sich eine solche Behausung leisten konnte. Vermutlich hatte er es geerbt - einige der Ahnen, die aus Ölgemälden würdevoll auf die Besucher herabstierten, sahen ihm bemerkenswert ähnlich.
Diener öffneten eine goldbeschlagene Tür. Dahinter wurde der Speisesaal sichtbar - in der Mitte ein langer Tisch, an dem die wenigen Menschen einen ein wenig verlorenen Eindruck machten.
„Ich darf vorstellen? Sebastian Linnero, mein Skipper."
Linnero war mittelgroß, sehr hager und trug einen dunklen Schnurrbart, dessen Spitzen an den Mundwinkeln herabhingen. Das gab ihm ein leicht asiatisch wirkendes Gepräge.
„Wie ich hörte, hast du Carina schon kennengelernt. Und dies ist mein Sohn Pedro. Er ist Arzt.
Pedro d'Alessando war hochaufgeschossen und hager. Ein paar kleine und unangenehm kalte Augen musterten Parker sekundenlang.
„Ich bin erfreut, Sie kennenzulernen", sagte der Arzt. Es klang unverbindlich. Der Blick, mit dem er Unga musterte, war noch stechender als zuvor, außerdem nahm sein Gesicht einen bemerkenswert arroganten Ausdruck an.
„Machen wir zwanglos weiter, wir sind ja unter uns. Evita Gomez da Silva, meine Sekret ä- rin."
Parker hatte sofort die Ahnung, daß die junge Frau ihre Zeit mit Jaime d'Alessandro nicht nur damit verbrachte, seine Diktate aufzunehmen. Evita war schlank und zierlich und trug ihr hellblondes Haar auffallend kurz geschnitten. Den Ring, den sie an der rechten Hand trug, hätte sie von einem Sekretärinnengehalt niemals bezahlen können.
„Jetzt fehlen nur noch Silvester Mondejo und Eric Chalmers", ergänzte Jaime d'Alessandro. „Sie sind schon an Bord. Sie werden sie mögen, Jeff. Sie verstehen beide eine Menge vom Segeln."
„Das kann ich bestätigen", verkündete Linnero zurückhaltend. „Unser Freund Jaime hat mir verraten, daß Sie bereits eine genaue Vorstellung vom Ziel unserer Reise haben - können Sie uns mehr darüber sagen?"
Jeff Parker zögerte einen Augenblick. Die volle Wahrheit konnte er den anderen unmöglich berichten - entweder hätten sie ihn für verrückt gehalten, oder sie hätten sich geweigert, einen solchen Turn mitzumachen.
Jeff setzte ein gewinnendes Lächeln auf.
„Ich habe einen alten Seefahrermythos ausgegraben", sagte er dann. „Es gibt ganz bestimmte Koordinaten, an denen es auf dem Meer nicht mit rechten Dingen zugehen soll. Und ich will einfach hinsegeln, mir die Sache genau ansehen und dann einen kleinen Artikel für ein renommiertes Jacht-Journal darüber schreiben."
Linnero wölbte die buschigen Brauen.
„Und? Glauben Sie, daß an diesem Mythos etwas dran ist?"
Jeff zuckte die Achseln.
„Wahrscheinlich werden wir die Sache als das entlarven, was es wirklich ist - als Aberglauben. Aber selbst das kann interessant werden - irgendeinen Kern findet man fast immer hinter solchen Schauergeschichten."
Pedro verzog die Lippen zu einem mokanten Lächeln.
„Die
Ghostbusters
zur See?" fragte er.
„Wenn Sie so wollen", gab Unga trocken zurück. „Übrigens ist dieses Phänomen zeitge bunden - wir müßten also recht bald auslaufen."
Jaime d'Alessandro machte eine beschwichtigende Geste.
„Das Boot wird seeklar sein, wenn wir es betreten", versprach er. „Dafür wird schon Paco sorgen, ein uralter Seebär, der sich auf sein Handwerk versteht wie kaum einer. Er ist noch in den alten Zeiten vor dem Mast um Kap Hoorn gesegelt."
Jeff Parker lächelte.
„Nun, soweit wird unsere Reise nicht gehen", versprach er.
Inzwischen hatten sich alle wieder an den Tisch gesetzt und frühstückten ausgiebig. Parker nutzte die Gelegenheit, die anderen Mitglieder der Besatzung dabei zu beobachten. Erfreut stellte er fest, daß keiner mehr als ein Glas von dem Champagner zu sich nahm - Leute, die schon zum Frühstück Alkohol brauchten, waren bei solchen Unternehmungen eher gefährlich als nützlich.
„Wie lange wird der Turn dauern?"
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