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172 - Der Sturm

172 - Der Sturm

Titel: 172 - Der Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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besser verschwinden«, sagte Aruula beunruhigt, als die Segel zu knattern begannen und Gischt über die Reling schäumte. Suchend sah sich die Barbarin um. Der Niedergang – die Treppe zu den Quartieren – war achtern und weit entfernt, deshalb entschied sich Aruula für die Frachtluke. Sie wollte gerade losgehen, da kam ein dämonisches Heulen übers Meer. Yngve schnellte vor.
    »Runter!«, befahl er, zog Aruula in den Schutz der Schiffswand und schlang seine Arme um ihren Körper.
    Im nächsten Moment brausten orkanartige Böen über Deck. Sie rissen alles fort, was nicht gesichert war, darunter einen Matrosen und die Halteleine am Rundholz des Gaffelsegels. Prompt begann der Baum zu schwenken; hin und her zwischen den beiden Masten, genau über dem Frachtraum.
    Die Gefährten kauerten mittschiffs, dennoch konnten sie die nahe Luke plötzlich nicht mehr erreichen. Das Meer wurde zum Tollhaus. Der Schoner stampfte und rollte, während seine Besatzung verzweifelt die Segel zu bergen versuchte. Eine Sturzflut rauschte über die Reling und spülte Aruula und Yngve von der Wand weg.
    Haltlos glitten sie im Brüllen des Sturms das Deck entlang. Der Bug kam hoch, auf einer mächtigen Welle.
    Über ihrem Scheitelpunkt kippte das Schiff nach vorn – tiefer und tiefer in die tosende See. Das aufgeworfene Wasser an Deck strömte voran. Es nahm Aruula mit.
    Alles ging so schnell.
    Schon war sie am Fockmast vorbei, wo die angebundene Wisaau quiekend um ihr Leben paddelte.
    Aruula versuchte nach dem Strick zu greifen, verfehlte ihn jedoch. Dann spürte sie eine Hand an ihrem Arm.
    »Ich hab dich!«, keuchte Yngve. »Ich halte dich!«
    Es war ein leichtsinniges Versprechen, denn der Schoner kämpfte sich hoch und das Fluten begann erneut. Diesmal nach achtern. Aruula und Yngve wurden zurückgeschwemmt. Überall waren Ecken und Kanten, an denen man sich verletzen konnte. Yngve bekam ein nasses Seil zu fassen und hielt es mit der Kraft der Verzweiflung fest. Es hing an einem der Boote, die mit dem Kiel nach oben festgezurrt waren.
    Wieder und wieder krachten schäumende Brecher auf die Gefährten herab. Der Wind heulte und pfiff; er riss ihnen die Luft vor der Nase weg und warf ihnen stattdessen salzige Gischt hin. Aruula spuckte und rang nach Atem.
    »Ich kann nicht mehr. Ich ersticke«, japste sie.
    »Unter das Boot!«, keuchte Yngve an ihrem Ohr.
    »Komm schon, Aruula: Kriech unter das Boot!«
    Aruula nahm im tosenden Wind alle Kraft zusammen.
    Hand über Hand zog sie sich an glitschigem nassen Holz entlang in trügerische Sicherheit. Yngve stützte die Barbarin, als das Schiff nach vorn sank und die nächste Welle über Bord rauschte. Dann folgte er ihr. Die beiden setzten sich auf und umklammerten eine Ruderbank.
    Wasser lief ihnen aus dem Haar, Angst stand in ihren Augen.
    Die Besatzung hatte den Kampf um die Segel aufgegeben, aber wenigstens noch alle längs stehenden gelöst. Der Schoner war trotzdem vom Kurs abgekommen, hatte sich leewärts ausgerichtet und trieb auf die Küste zu. Schneller als er sollte. Schuld daran waren die quer stehenden Rahsegel oben an den Masten.
    Sie waren gebläht bis zum Platzen, doch sie widerstanden dem Wüten des Windes – anders als die großen Längssegel. Sie machten einen Höllenlärm, als sie über Deck flatterten. Der Sturm riss sie in Fetzen.
    Einer der triefenden Streifen verfing sich an dem schweren Rundholz, das im Takt der Schiffsbewegung von Steuerbord nach Backbord schwang. Es kam ruckartig zum Stehen; die Halterung brach, das Holz krachte zu Boden. Die Spitze verkeilte sich zwischen den Regenfässern am Großmast. Der Rest lag quer über der Frachtluke.
    So plötzlich wie er gekommen war, ließ der Sturm nach. Das unheimliche Heulen und Pfeifen wurde leiser.
    An seine Stelle trat ein anderes Geräusch: die Schreie der eingeschlossenen Passagiere.
    Yngve lehnte seine Stirn an die fest umklammerte Ruderbank, um zu lauschen. Die Gedankenbilder, die er sah, waren alarmierend. Das Schiff hatte viel Wasser aufgenommen. Es stand fast einen Meter hoch im Frachtraum, schwappte zwischen zusammengepferchten Menschen und Tieren herum – und stieg sprudelnd an.
    »Wir müssen ihnen helfen!« Aruula tauchte unter dem Bootsrand ins Freie. Gischt schäumte über Bord; die Barbarin rutschte aus und fiel der Länge nach hin.
    »Meerdu!«, fluchte sie, wischte sich das Wasser vom Gesicht und schob die nassen Haare zurück. Ihre Haut brannte, Augenbrauen und Wimpern waren

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