1720 - Die Nacht der Voodoo-Queen
Warnung geschickt. Es blieb normal von der Temperatur, es huschten auch keine Lichtreflexe darüber hinweg. Matthias schien also noch weiter entfernt zu sein.
Die Dunkelheit war da, aber nicht zu dicht. Die Lampe an der Hauswand gab einen schwachen Schein ab, der sich aber in unserer Nähe verlor, sodass wir auf die Dunkelheit fixiert waren, die vor uns lag. Die nächsten Häuser standen recht weit entfernt. Zu sehen waren sie nicht, aber wir erkannten den schwachen Lichtschimmer, der sich in ihrer Nähe ausbreitete.
Als ich mich nach links drehte, sah ich die Voodoo-Queen einige Schritte von mir entfernt stehen. Sie hatte meine unmittelbare Nähe verlassen. Wahrscheinlich wollte sie für einen Moment allein bleiben. Das störte mich nicht. Ich wunderte mich nur über sie. Wer war sie wirklich? Jedenfalls kein exotisches Wesen aus der Karibik. Sie war eine Weiße und stammte zudem aus unserem Sprachraum. Und sie schien auf meiner Seite zu stehen, denn etwas Feindliches hatte ich von ihr nicht erfahren. Zudem war mein Kreuz ihr nicht unsympathisch, und den Teufel mochte sie auch nicht.
Das war nicht bei allen Voodoo-Leuten so. Da kannte ich andere, die sich auf die Seite des Bösen geschlagen und mit Zombies einen Bund geschlossen hatten.
Ich sah, dass sich Marietta bewegte. Ihr Kopf zuckte von einer Seite zur anderen, woran sicherlich kein Insekt die Schuld trug. Mücken flogen noch nicht so viele.
Ich hatte mir vorgenommen, sie anzusprechen. Das ließ ich bleiben, als ich sah, dass sie die Hände in die Hüfte stemmte und den Kopf zurücklegte, weil sie in den dunklen Himmel schauen wollte.
Gab es dort etwas zu sehen?
Das wollte ich genau wissen und tat es ihr nach. Ich hielt mich zurück, als ich erkannte, wie sehr sich Marietta konzentriert hatte. Für mich war das nicht normal, es musste mehr dahinterstecken.
Sekunden später lösten sich ihre Hände von den Hüften. Sie presste sie von beiden Seiten gegen ihren Kopf. Dabei drang ein scharfes Flüstern aus ihrem Mund, von dem ich kein Wort verstand.
Ich ging auf sie zu. Erst als ich dicht vor ihr stand, hob Marietta den Kopf und schaute mich an.
»Was ist los mit dir?«
Sie schüttelte den Kopf, ohne etwas zu sagen. Aber so entspannt wie sonst sah sie nicht aus. Ihr Gesicht zeigte schon eine gewisse Anstrengung, und auch das leise Stöhnen blieb mir nicht verborgen.
Plötzlich sackte sie in die Knie. Marietta wäre gefallen, hätte ich sie nicht aufgefangen und wieder in die normale Position gestellt. Es war zu sehen, dass sie litt, und darauf deutete auch das Stöhnen hin, das aus ihrem Mund drang. Bevor sie fiel, fing ich sie wieder auf, und jetzt hielt ich sie fest.
»Marietta, was ist mit dir?«
Zuerst stöhnte sie. Danach konnte sie reden. »Ich – ich – weiß es nicht«, brachte sie mühsam hervor. »Es ist alles so anders geworden …«
»Und was spürst du? Oder was siehst du?«
»Ich sehe nichts«, flüsterte sie, »aber ich weiß, dass er in der Nähe lauert. In meinem Kopf ist alles anders geworden. Es gibt die Geister, die mich warnen. Sie warnen mich aus dem Jenseits. Die guten Geister fürchten sich vor ihm. Sie spüren seine Atmosphäre, die keinem Menschen gut tut.«
»Hast du ihn denn gesehen?«
»Nur gespürt.«
»Und wo könnte er sein?«
»Überall, John, überall.« Sie schnappte nach Luft. »Ich merke, dass ich schwächer werde. Ein zweiter Überraschungsangriff wird mir nicht mehr gelingen. Jetzt bist du mit deinem Freund an der Reihe. Ihr müsst ihn stellen.«
»Ich sehe ihn nicht. Tut mir leid.«
»Aber er ist da.« Sie konnte nicht mehr stehen und wollte sich auf den Boden setzen, wogegen ich nichts hatte. Dort hielt sie weiterhin ihre Hände gegen die Schläfen gedrückt.
»Was genau empfindest du?«, fragte ich sie.
»Den Druck, John, als sollte mein Schädel in Stücke zerspringen. Es ist grauenhaft, er versucht, mich zu übernehmen.«
»Willst du mein Kreuz haben?«
»Nein, John, das nicht. Das kann ich nicht annehmen. Es ist deine Waffe. Du musst sie behalten und …«
»Ja, ja, das werde ich auch.« Ich wollte trotzdem etwas unternehmen und streifte die Kette über meinen Kopf. Da Marietta die Hände nicht mehr gegen ihre Schläfen presste, waren sie frei, und ich drückte ihr das Kreuz in die Hand.
Ein leiser Schrei drang aus ihrem Mund. Als sie es berührte, versteifte sie sich, als hätte ich ihr einen Fremdkörper gegeben, den sie nicht wollte.
Aber der Anfall verging. Sie beruhigte sich wieder
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