1725 - Basar der Träumer
Reaktion gerechnet. Harry, der Stratege, hatte ihn in seine Überlegungen einbezogen.
Nun war der Moment für die wissenschaftliche Leiterin Sian Bar Luunen gekommen. Sie betrat den Raum und sagte: „Ruhe!"
Sofort verstummten alle.
Eine Gasse bildete sich und gab der 47 Jahre alten Marsgeborenen den Weg zu den Überschweren frei. Die Frau war eine schmucklose Erscheinung. Ihre brünetten Haare hatte sie im Nacken zu einem Zopf geflochten und diesen zu einem Dutt zusammengebunden. Nein, eine Attraktion war Sian Bar nicht.
„Im Namen des Kommandanten lege ich schärfsten Protest ein!" sagte sie mit unnachgiebiger Schärfe. „Eine diplomatische Krise ist unvermeidbar. Wenn ihr nun noch obendrein die Starterlaubnis verweigern wollt, dann bedeutet das unter Umständen mehr als eine diplomatische Krise."
Die Überschweren starrten die Frau nur stumm an, als Sian Bar Luunen vor sie trat und ihre rechte Hand öffnete und ausstreckte.
„Ich habe dieses Objekt", sie deutete mit dem linken Zeigefinger auf einen winzigen Punkt, der in der Mitte des Handtellers zu sehen war, „soeben hier an Bord in der Kantine entdeckt und unter dem Positronenrastermikroskop betrachtet. Hier ist das Bild."
Sie schnippte mit den Fingern. Vor den Überschweren baute sich übergroß das dreidimensionale Bild der Spionsonde auf.
„Die Datenzeile am Unterrand verrät nicht nur die Herkunft", fuhr sie mit Eiseskälte in der Stimme fort, „sondern auch die Einsatzzeit, den Einsatzort und den uns hinreichend bekannten Decknamen des Auftraggebers."
Ein Roboter eilte herbei und überreichte ihr eine Bildfolie.
„Hier habt ihr eine Kopie", erläuterte sie zynisch.
Phril Stratar trat an ihre Seite, bevor einer der Überschweren etwas sagen konnte.
„Wir haben einen klaren Beweis für aktive Spionage durch euren Geheimdienst", sagte er und deutete auf das vergrößerte Holo der Spionsonde. „Ihr wißt sicher, was das bedeutet und was es für Auswirkungen auf unsere Beziehungen hat. Ich mache hiermit von meinem Grundrecht als Kommandant dieses Raumschiffs Gebrauch und fordere euch auf, die KATHAR sofort zu verlassen. Gegebenenfalls setze ich meine Anordnung mit Gewalt durch. Bis zur Startfreigabe darf kein Angehöriger eures Staates meine Kogge mehr betreten."
Leticron II riß mit hochrotem Kopf die Bildfolie an sich und winkte den beiden anderen. Dann stürmte er zum Ausgang. Die beiden Bekleckerten folgten ihm mit zornigen Blicken.
Fünf Minuten später ging ein Funkspruch der Raumhafenkontrolle ein.
„In Übereinstimmung mit unserer Regierung erteilen wir die Starterlaubnis, die euch unbefugt und durch einen Irrtum entzogen worden war.
Die Regierung bedauert den Zwischenfall mit der Spionsonde, die aufgrund einer Fehlfunktion auf euer Raumschiff gelangt ist."
„Sind die Schotten alle zu?" fragte Phril Stratar danach.
Der Bordsyntron bestätigte dies.
„Dann dürft ihr mal!" lachte der Plophoser.
Ein unbeschreibliches Geschrei erfüllte minutenlang die KATHAR.
Nur zwei jubelten nicht: Thran Bergen und Sian Bar Luunen.
Und als das Gejohle verebbt war, rief der Kommandant: „Lichtet den Anker! Setzt alle Segel! Wir schippern nach Hause! Wir haben unseren Urlaub verdient!"
„Ich möchte auch ein Wort sagen", bat Harry. „Ihr alle wißt, daß ich immer gern an Bord der KATHAR und unter euch bin. Auch wenn einige ständig meinen, sie müßten mir am Zeug flicken. Aber die werden noch lernen, was Sache ist. Ich möchte mich jedenfalls bei euch bedanken und einen angenehmen Heimaturlaub wünschen."
Phril Stratar überließ Thran Bergen, dem Zweiten Piloten der Kogge, in diesen Minuten das Kommando in der Zentrale. Das Keilraumschiff hob wenig später ab und schoß in den Nachthimmel.
Der Plophoser, 84 Jahre alt und 1,90 Meter groß, blickte lächelnd zu dem noch ein Stück größeren Harry auf. Bei Phril Stratar konnte man nie sagen, ob er den Hanse-Spezialisten mochte, haßte, fürchtete oder verehrte. Im Moment kamen wohl mehr die wohlwollenden Gefühle zum Vorschein.
„Ich glaube", meinte er und schob seine kräftige Figur an die Bar, „jetzt haben wir wirklich einen verdient."
„Stimmt." Harrys blaue Augen wirkten etwas verträumt.
Sie prosteten sich zu und lachten.
2.
Nach der ersten Hyperraumetappe von knapp 100.000 Lichtjahren kehrte die KATHAR in den Normalraum zurück. Harry hatte zu diesem Zeitpunkt seinen Bericht an das HQ-Hanse fertig und kodiert. Die Funkzentrale schaltete sich in das
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