1726 - Testfall Magellan
meinte Phril Stratar, der sich etwas beruhigt hatte.
„Ich schlage vor, wir fangen mit der Sichtung und Auswertung der Gespräche an, die unsere Einsatzgruppe dreiunddreißig Minuten lang aus dem Interkomnetz von GEMBEK aufgefangen und abgespeichert hat."
„Einverstanden", sagte Chris. „Hoffentlich trifft die IRA ROGABERG in der Zwischenzeit ein. Sie wurde von Geo Sheremdoc zum Basar GIMELAK beordert und sollte nach Beendigung ihrer Mission hierherkommen. Dilja und ihre Leute müssen schon vor vierzehn Tagen bei GIMELAK eingetroffen sein. Ich begreife nicht, daß sie uns inzwischen nicht wenigstens eine Funkmeldung geschickt haben."
Stratar und Kwaa-Nuan sahen sich an, dann hoben sie die Schultern.
Ohne daß sie es aussprachen, wußte Chris, was alle dachten: Die Verhältnisse in der Großen Magellanschen Wolke waren völlig anders als jene, die noch vor einem Monat geherrscht hatten. Voraussagen über Ereignisse, Verhaltensweisen oder die Reaktionen der hier lebenden Intelligenzen waren nicht mehr möglich.
Die IRA ROGABERG war vielleicht längst ein Wrack, in dem nur noch die Seelen ihrer Kosmonauten herumgeisterten: eine Art Fliegender Holländer des Alls.
Oder die Crew des Raumschiffes war einem Geheimnis auf der Spur und mußte Funkstille einhalten, um nicht entdeckt zu werden.
Niemand konnte es erraten - und niemand wußte, wohin die Entwicklung trieb.
Wußten es die Hamamesch? Was wußten die Händler aus Hirdobaan überhaupt?
Christiane Meister fühlte sich völlig hilflos.
Verzweiflung wollte aufkommen, Depressionen ihren Willen lähmen.
Doch die Terranerin riß sich zusammen.
Ihr Pflichtbewußtsein siegte über Zweifel und Ungewißheit.
Immerhin war sie nicht irgendwer, sondern trug die Verantwortung für den Flottentender DIOGENES und die Frauen und Männer, die zu seiner Crew gehörten.
Chris’ Gestalt straffte sich, ihre graugrünen Augen funkelten unternehmungslustig.
„Kümmern wir uns um die Interkom-Aufzeichnungen aus dem Basar GEMBEK!" sagte sie in energischem Tonfall.
4.
Eisenstadt, 20. Juli 1217 NGZ Shiister, fünfter von sieben Planeten der gelbroten Sonne Kaddoq, 3270 Lichtjahre in Richtung Milchstraße vom Zentrum der Großen Magellanschen Wolke entfernt. Eine erdgroße Wasserwelt, keine Kontinente, sondern nur zahlreiche schroffe Inselgruppen. Infolge starker Polachsneigung gibt es krasse Temperaturunterschiede in den verschiedenen Klimazonen. Dadurch viele Orkane und Wirbelstürme; außerdem Seebeben.
Entdeckung vor 174 Jahren durch gurradsche Prospektoren. Auf Shiister existiert die einzige bisher bekannte Fundstelle des Minerals Ianteisen, das syntronischen Schaltungen einen besonderen Touch verleiht und sie leistungsfähiger macht.
Vor 34 Jahren wurde auf Shiister von den wichtigsten gurradschen Regierungen in der Großen Magellanschen Wolke und der Kosmischen Hanse gemeinsam eine Forschungsstation eingerichtet. Station und die dazugehörige Siedlung erhielten den Namen Eisenstadt.
Die Forschung zielt in Richtung der qualifizierten Verarbeitung von Ianteisen und zur Konstruktion formvariabler Werkzeuge. Dazu sollen Sender entwickelt werden, die mit bestimmten Hyperfrequenzen arbeiten.
Genaueres ist nicht bekannt, da die Gurrads, die alle uneingeschränkten Schürf- und Vermarktungsrechte für Ianteisen besitzen, Shiister hermetisch gegen die Außenwelt abschirmen und strenge Vorkehrungen zur Geheimhaltung der Forschungsarbeiten und -ergebnisse getroffen haben.
Auch die Kosmische Hanse erhält nur spärliche Informationen, obwohl sie den Bau und die Ausstattung der Forschungsstation in erheblichem Maße mitfinanziert hat.
Keine weiteren Daten gespeichert - Ende.
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Dilja Mowak las den Syntron-Ausdruck zum wiederholten Male. Und zum wiederholten Male fragte sie sich, wer in diesem Fall für die schlampige Kontrolle von Finanzmitteln der Kosmischen Hanse verantwortlich war.
Es war ihr unbegreiflich, daß die Hanse erhebliche Gelder in ein Projekt steckte, über das sie so erbärmlich informiert war, wie aus diesem Ausdruck hervorging.
Wenn die Gurrads auf Shiister ihr eigenes Süppchen kochten und sich von niemandem in ihren Topf gucken lassen wollten, wieso hatten dann die Verantwortlichen bei der Hanse ihre Gelder nicht längst zurückgezogen?
Ein Signal aus den Akustikfeldern innerhalb der Zentrale riß die Oxtornerin aus ihren Überlegungen.
„Noch dreißig Sekunden bis zum Orientierungsaustritt!" meldete die Vocoderstimme des
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