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1739 - Der Tabubrecher

Titel: 1739 - Der Tabubrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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von unten hatte erkennen können? Er hatte nicht sehen können, ob sich der Turm weiter oben veränderte und verbreiterte statt verjüngte. Er wußte ja nicht einmal, wie viele Stufen er inzwischen gegangen war, weil er nicht so weit zählen konnte. Er wußte nicht, wie weit er vom Ziel entfernt war.
    Nur eines stand fest: Er konnte nicht mehr umkehren. Das ging in keinem Spiel. Und er war zu weit davon entfernt. Er würde die Tür niemals finden. Er fand nicht einmal die Wand.
    Er schrie auf, als seine Hände plötzlich auf eiskaltes Metall trafen. Die Wand, die Mauer, das Ende des Turms. Er hatte es gefunden. Also ging er nicht in die Unendlichkeit.
    Was war das nur für ein Spiel?
    Ein erneuter Pfiff riß ihn in die Wirklichkeit zurück. Pi-Poul preßte sich mit dem Rücken an die Wand. Der Pfiff hatte näher geklungen, und er wußte nicht, zu welcher Bestie dieser Laut gehörte. Viele Tiere auf Dantach waren gefährlich, und er war verloren, wenn es ihn erwischte.
    Wie kam das Tier nur hier herein?
    Es würde ihn wittern, ohne Frage. Es würde hungrig sein und nicht ruhen, bis es ihn gefunden hatte.
    Pi-Poul zitterte so stark, daß er das Gefühl hatte, der ganze Turm würde wackeln. Die Wand an seinem Rücken wurde feucht von seinem Angstschweiß, aber nicht wärmer, sondern eher kälter. Als wieder ein Pfiff erklang, kauerte Pi-Poul sich zusammen, wie er es gelernt hatte; seine großen, breiten Finger krümmten sich zu Klauen, die zuschlagen und festhalten konnten. Seine Pupillen zogen sich durch die Belastung so stark zusammen, daß die roten Augen aufglühten. Er fletschte die gefeilten Zähne und begann wie ein kleines Tier zu knurren.
    Als er etwas über sein Gesicht streifen fühlte, sprang er nach vorn, knurrte und schlug mit den Händen in die Luft.
    Er prallte unsanft auf dem Boden auf, irgendwo mitten in dem unheilvollen Turm. Orientierungslos, getrieben von panischer Angst, kroch er in die Richtung, in die er gesprungen war.
    Plötzlich griffen seine Hände ins Leere. Kreischend stürzte er ab.
     
    *
     
    Pi-Poul fiel glücklicherweise nicht weit, nur drei Stufen, bis er automatisch auf Händen und Füßen aufkam und damit den Sturz aufhalten konnte.
    Einige Zeit lag er flach an den Boden gepreßt da und lauschte in die Finsternis hinein. Doch nichts regte sich mehr, kein Laut war zu hören.
    Das bedeutete, daß er die erste Schwierigkeitsstufe des Spiels bewältigt hatte. Pi-Poul fühlte sich plötzlich getröstet, fast stolz. Er konnte es schaffen, jetzt war er ganz sicher. Über diesen Triumph vergaß er sogar Hunger und Müdigkeit. Munter, nunmehr von dem Willen beseelt, das Spiel zu bewältigen, setzte er den Weg fort.
    Irgendwann verlor Pi-Poul jeden Bezug zur Welt. Er befand sich jenseits von Hunger und Erschöpfung, machte kaum mehr eine Pause.
    Mechanisch setzte er Fuß vor Fuß und stieg den Turm immer weiter hinauf.
    Er wußte nicht, wie lange. Es bedeutete ihm nichts mehr. Er hatte vergessen, weshalb er überhaupt den Aufstieg begonnen hatte.
    Da sah er das Licht. Nur ein ganz schwacher Schimmer, ganz weit oben. Aber es war ganz eindeutig ein Licht.
    Er kehrte ins Leben zurück!
     
    2.
     
    Der Turm der Gerechtigkeit Das Licht kam näher, je weiter er hinaufkam. Er konnte sich nach der langen Finsternis allmählich daran gewöhnen. Es breitete sich immer mehr aus, und es tat gut, darin baden zu können.
    Pi-Poul stieg und stieg, immer weiter ins Licht hinauf, bis er tatsächlich das Ende der Treppe erreichte. Er stand in einer geräumigen Halle, von der aus sechs Türen zu sechs Kammern führten. Die Halle war durch viele Lampen hell erleuchtet, jedoch gab es sonst keine Einrichtung. „Du kommst reichlich spät", erklang eine hohe, sanfte Stimme.
    Pi-Poul sah sich suchend um, aber er konnte niemanden entdecken, zu dem diese Stimme gehörte.
    „Hier bin ich doch, du. Dummkopf."
    Die Wand hinter Pi-Poul war hell geworden und projezierte das Abbild eines verknitterten, alten Raunach, der über der schwarzen Kombination einen dunkelvioletten Umhang und auf dem Kopf einen schmalen Helm trug.
    „Wer bist du?" fragte der Junge entgeistert.
    „Ich bin Ting-Garon, dein Lehrer. Wer sollte ich wohl sonst sein?
    Allerdings kommst du als Schüler zu spät."
    „Na ja, es waren doch auch so viele Stufen.
    Achthundertsiebenundneunzig, haben die Männer gesagt."
    „Ach, wirklich? Das ist mir ganz neu. Du bist jedenfalls hier. Es macht nichts, daß du ein wenig Verspätung hast. Dann fangen wir eben

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