1768 - Das Schattenmonster
mich.«
Maria Hartmann war es nicht gewohnt, von ihrem Mann so angefahren zu werden. Sie behielt sich aber unter Kontrolle. Sie wollte nichts tun, was Franz aggressiv machen könnte, aber sie war seine Frau und musste ihm helfen.
Sie ging auf ihn zu. Es waren nur wenige Stufen, die sie hinter sich bringen musste.
»Bitte, Franz, wir...«
»Hau ab!«
»Nein, das werde ich nicht. Ich bin deine Frau und du bist mein Mann. Wir sind ein Paar. Wir halten zusammen. Wir müssen es tun, das ist so. Das haben wir immer getan und...«
»Geh!«
Die Treppe lag jetzt hinter ihr. »Nein, Franz, ich werde nicht gehen. Ich werde bleiben. Ich ziehe mich nicht mehr zurück. Wir müssen zusammen herausfinden, was mit dir geschehen ist.«
»Du findest gar nichts heraus, Maria. Es ist allein meine Sache. Ist das klar?«
»Ja, aber...« Dann stoppte sie mitten im Satz, denn sie hatte etwas gesehen, was sie im ersten Moment nicht wahrhaben wollte. Ihr Mann hatte die rechte Hand angehoben, und erst jetzt fiel ihr richtig auf, was er damit festhielt.
Es war eines der Messer aus dem Block, der in der Küche stand. Ausgerechnet das mit der breitesten Klinge, und als sie es sah, da durchfuhr sie ein fürchterlicher Verdacht.
Sie wollte etwas sagen.
Es war schon zu spät.
Ihr Mann sagte keinen Ton. Er schaute ihr nur in die Augen, und sie sah seinen kalten Blick, wobei sie erkannte, dass er keine Gnade kennen würde.
Sie streckte ihm noch die Hände entgegen und wollte ihm auch das sagen, was ihr eingefallen war. Zu spät.
Der Busfahrer stach bereits zu.
Er zog das Messer von unten nach oben. Er traf ihre rechte Körperseite, aber das war ihm nicht genug, auch wenn das Blut aus der Wunde spritzte, weil eine Ader getroffen war. Es reichte Franz nicht. Und so stach er noch mal zu. Ein unbescholtener Mann, der sich in diesen Augenblicken in ein mordendes Monster verwandelt hatte...
***
Franz Hartmann starrte nach unten und auf das blutige Bündel vor seinen Füßen, das einmal seine Frau gewesen war.
Maria würde sich nie mehr bewegen. Sie würde nicht aufstehen und ihn in den Arm nehmen, um ihn zu trösten. Das war vorbei, und dafür hatte er gesorgt.
Hartmann wusste das, aber es machte ihm nichts aus. Er war zwar da, aber er war nicht mehr er selbst. Erneut schossen die anderen Gedanken durch seinen Kopf, die er auch gern zuließ. Sie bestanden aus einer Botschaft, die er als Lob ansah, und so verzogen sich seine Lippen zu einem Lachen.
Reue empfand er nicht. Er stand noch völlig unter dem Einfluss der anderen Macht, wobei er nicht genau wusste, um welche es sich dabei handelte. Er musste sie nur hinnehmen.
Das Messer hielt er noch in der Hand. Dass er es einige Male in den Körper seiner Frau gestoßen hatte, das wusste er zwar, aber es störte ihn nicht weiter. Die Klinge war nicht mehr so blank. An ihr klebte noch das Blut des Opfers, was dem Mörder auch egal war, denn er drehte sich um und wandte der Toten den Rücken zu.
Franz Hartmann wollte weg. Er wusste nicht mal, ob es seinem eigenen Wunsch entsprach, er fühlte sich in seinem eigenen Haus nicht mehr wohl. Wichtig für ihn war es, ins Freie zu treten und die kühle Nacht zu genießen.
Niemand hielt ihn auf, als er durch den Flur auf die Haustür zuging und sie behutsam öffnete. Im Haus war es recht warm gewesen, nun spürte er den kühlen Luftzug, der sein Gesicht streifte.
Vor der Tür blieb er stehen. Die Straße, in der er wohnte, war recht schmal und endete als Sackgasse. Es gab hier keinen Durchgangsverkehr, denn wer mit dem Auto hierher kam, der wohnte auch hier. Nur von der nicht weit entfernten Bundesstraße 8 waren Verkehrsgeräusche zu hören, in der Nacht allerdings hielten sie sich in Grenzen.
Er ging mit kleinen Schritten vor und blieb erst dann wieder stehen, als er die Straße erreicht hatte. Es war ruhig. Es gab keine Bewegung in seiner Nähe. Vom nahen Wald her schien ihn die Dunkelheit überfallen zu wollen, zur anderen Seite hin wurde es heller, denn dort gab es nur die normale Dunkelheit.
Er schaute nach links. Etwas hatte ihn dazu gebracht oder ihn auch gestört. Ja, er sah, dass er sich nicht geirrt hatte. Dort gab es eine Bewegung. Nicht nur er hatte das Haus verlassen, auch eine weitere Person, die jetzt in seine Richtung ging.
Noch war sie zu weit entfernt, um sie identifizieren zu können, aber Sekunden später erkannte er, dass es sich um eine Frau handelte, eine Nachbarin.
Sie wohnte weiter oben in einem der ersten Häuser, und
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