1772 - Ein Grab in den Bergen
nicht.
Ich überlegte, ob es Sinn hatte, wenn wir Krista allein losschickten. War er gekommen, um sie zu holen? Oder wollte er sich einfach nur zeigen?
»Was denkst du über deinen Freund?«, fragte ich.
»Wie meinen Sie das?«
»Du kannst mich ruhig auch duzen und John zu mir sagen, Krista«, sagte ich. »Du fragst, warum er hier ist? Was hat ihn denn wieder hergetrieben, da muss es einen Grund geben.«
Kristas Gesicht zeigte einen gequälten Ausdruck. »Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts im Augenblick.«
»Dann hast du dir auch nichts überlegt?«
»So ist es.«
Ich fragte weiter. »Und du willst nicht zu ihm?«
»Ich weiß nicht.«
»Oder sollen wir gemeinsam gehen?«
»Wäre nicht schlecht.«
»Und dann?«
»Müssten wir uns anhören, was er zu sagen hat.«
»Nichts dagegen.«
Sie schaute mich an, als würde sie mir nicht glauben. Dann hob sie die Schultern und setzte sich in Bewegung. Wir ließen sie kurz vorangehen, dann erst sprach Maxine mich an.
»Hast du schon einen Plan, John?«
»Nein, wir müssen spontan reagieren.«
»Das könnte ins Auge gehen.«
»Ich weiß.« Ein kurzes Achselzucken. »Aber das bin ich gewohnt. Vielleicht ist es besser, wenn du dich zurückhältst.«
»Erst mal abwarten. Außerdem ist das mein Auto, und das lasse ich mir nicht so einfach wegnehmen.«
»Kann ich verstehen.«
Wir waren dem Geländewagen immer näher gekommen. An und in ihm hatte sich nichts getan. Hinter dem Steuer saß nach wie vor Rudy Reiking und starrte uns an.
Wir sahen ihn zwar nicht in aller Klarheit, konnten jedoch erkennen, dass er nicht den Eindruck eines Menschen machte, der bald auf uns losgehen würde.
Er saß da und wartete. Ich ging davon aus, dass er nur auf uns wartete. Möglicherweise hatte er uns eine Botschaft zu überbringen.
Krista ging jetzt zwischen uns. Es war ihr anzusehen, dass sie nervös war. Ihre Bewegungen kamen uns hektisch vor.
Der Wagen stand dort, wo der Weg begann, der zur Haustür führte. Es war schon das Grundstück der Tierärztin.
Der Fahrer öffnete immer noch keine Tür.
Noch ein paar Schritte, dann waren wir da. Ich achtete auf mein Kreuz und darauf, oh es mir eine Warnung schickte.
Es war nicht der Fall. Alles sah völlig normal aus, nur wusste ich, dass es nicht normal war.
Krista Hellsen flüsterte uns etwas zu: »Darf ich mit ihm sprechen? Zuerst, meine ich.«
Ich hatte nichts dagegen und Maxine auch nicht. So warteten wir ab, was geschehen würde, wenn es zu einem ersten Kontakt kam. Noch war die Fahrertür geschlossen, und das blieb sie auch, was Krista nicht passte.
»He, öffne!«, rief sie.
Rudy bewegte sich nicht.
»Was soll ich tun?«, fragte sie uns.
»Nichts«, erklärte ich und nahm das Heft selbst in die Hand. Ich ging bis dicht an die Fahrertür heran und legte meine Hand um den Griff. Dann zog ich sie auf. Jetzt hatte ich den jungen Mann dicht vor mir. Er sagte nichts, drehte nur den Kopf und starrte mir in die Augen.
»Was ist los?«, fragte ich.
Ich hatte es eigentlich nicht erwartet, aber ich erhielt tatsächlich eine Antwort. »Steigt ein.«
»Aha. Und weiter?«
»Steigt erst mal ein.«
Krista mischte sich ein. »Verdammt noch mal, wohin willst du uns bringen?«
»Weg!«
»Ist das alles, was du zu sagen hast?«
»Vorerst schon.«
Was sollten wir tun? Einsteigen oder nicht? Ins volle Risiko gehen oder es lassen? Ich wusste es nicht und konnte mich nicht entscheiden. Ich warf Maxine Wells einen fragenden Blick zu. Sie war zwar etwas blass geworden, nickte aber und meinte: »Wir sollten es versuchen.«
»Okay.«
»Und ich will auch mit!«, meldete sich Krista.
»Ist schon okay«, sagte die Tierärztin.
»Und was ist mit Carlotta?«, fragte ich.
»Sie weiß sich schon zu helfen, John. Da müssen wir keine Sorgen haben.«
Ich ging um die Kühlerhaube herum und zog die Beifahrertür auf.
»Wir steigen ein.«
»Ja, ist gut.« Die Antwort hatte tonlos geklungen. Völlig ohne Emotionen. Der Fahrer schien weit weg zu sein, aber er fuhr noch nicht an, sondern wartete, bis die beiden Frauen hinter ihm eingestiegen waren und auf ihren Plätzen saßen. Es gab einen leicht dumpfen Schlag, als die Türen wieder ins Schloss gezogen wurden.
Der Fahrer hatte sich nicht gerührt. Aber bei mir hatte sich auch nichts getan. Das Kreuz war ruhig geblieben. Nicht die kleinste Warnung hatte mein Kreuz abgestrahlt. Es war, als wollte man mir zeigen, dass hier die Normalität herrschte und nichts anderes.
Nur glaubte ich
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