Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1772 - Ein Grab in den Bergen

1772 - Ein Grab in den Bergen

Titel: 1772 - Ein Grab in den Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
»Dann gib mir mal das Glas.«
    »Hier, bitte.«
    Rudy setzte es gegen die Augen. Seine Freundin hatte zwar den Abhang erwähnt, aber nicht genau gesagt, an welcher Stelle sie den Körper entdeckt hatte. So war er gezwungen, das Glas ein wenig zu bewegen. Er ging von oben nach unten vor. Die Steine auf dem Abhang waren unterschiedlich groß. Manche sahen aus, als würden sie sich im nächsten Augenblick lösen wollen, um nach unten zu rollen.
    »Siehst du es?«
    »Noch nicht.«
    Krista blickte ihn an. »Du musst es weiter unten versuchen. Da liegt die Gestalt.«
    »Ja, ja, mache ich.« Das war nicht nur einfach so dahin gesagt, der junge Norweger senkte das Fernglas tatsächlich und erreichte die unterste Stelle.
    Dort verharrte er.
    »Und?«, fragte seine Freundin.
    »Ja, du hast recht. Da liegt einer.«
    »Ein Toter, nicht?«
    »Keine Ahnung, ob er tot ist. Das ist möglich, aber er könnte auch schlafen.«
    Krista verzog den Mund. »Bei der harten Unterlage, ich weiß nicht so recht.«
    »Vielleicht liegt er ja auf etwas. So genau kann man es wirklich nicht erkennen.«
    »Und weiter?«
    Rudy ließ das Glas sinken. »Was meinst du damit?«
    »Ich möchte wissen, wie es weitergeht. Hast du da vielleicht eine Idee?«
    »Nein, die habe ich nicht. Wirklich nicht.« Rudy lachte. »Oder willst du hingehen und ihn wecken?«
    »Keine schlechte Idee. Ich möchte nämlich wirklich wissen, was mit ihm ist. Wir befinden uns hier in den Bergen. Da muss sich einer auf den anderen verlassen können. In der Großstadt wäre das etwas anderes, aber nicht hier. Ich jedenfalls werde nach ihm sehen. Und zu groß ist die Entfernung ja nicht.«
    Rudy war alles andere als begeistert. Aber er machte gute Miene zum bösen Spiel und war sogar derjenige, der als Erster aufstand und seinen Rucksack wieder auf den Rücken schwang.
    Auch Krista stand auf. In ihrem Gesicht regte sich nichts. Sie war blass und ihr Blick unstet geworden.
    Weit war die Strecke nicht. Und sie war auch gut zu gehen, denn die beiden konnten auf einer Höhe bleiben.
    Das Wetter spielte auch mit. Der Himmel war von dicken Wolken bedeckt, die keinen Sonnenstrahl durchließen, was beide als angenehm empfanden, denn so kamen sie nicht ins Schwitzen.
    Bald schon war die Gestalt mit bloßem Auge gut zu erkennen. Und sie hatte ihre Haltung auch nicht verändert. Sie war in dieser Stellung geblieben. Es war kein richtiges Sitzen und auch kein Liegen.
    Sie gingen bis auf etwa fünf Meter an die Gestalt heran und blieben dann stehen. Der Mann rührte sich nicht. Sie hörten auch keine Atemgeräusche, aber sie sahen, dass der Kopf nach unten gesunken war, sodass das Kinn die Brust berührte.
    »Der schläft noch immer«, murmelte Rudy.
    »Ich weiß nicht. Alles ist so seltsam.« Krista zog die Nase hoch. »Meinst du nicht auch?«
    »Lass uns doch erst mal näher an ihn herangehen.«
    Das taten beide. Als sie dann vor ihm standen, sprachen sie den Mann an.
    »He, wachen Sie auf. Es ist besser für Sie und...«
    Der Mann rührte sich nicht. Sie sahen vor sich einen normalen Menschen, der einen dunkelroten Pullover trug und die Beine halb ausgestreckt hatte. Seine Haltung war unbequem. Es war schon unnatürlich, dass er über einen langen Zeitraum so liegen und schlafen konnte.
    Schlafen?
    Dieser Begriff zuckte durch Krista Hellsens Kopf. Sie glaubte nicht mehr daran, denn sie hörte auch nichts und sagte schließlich mit halblauter Stimme: »Der schläft nicht.«
    »Und was ist stattdessen mit ihm?«
    Krista gab keine Antwort. Sie drehte nur den Kopf, um ihren Freund anzuschauen.
    Der erwiderte ihren Blick und las in ihren Augen etwas Bestimmtes.
    »Nein«, flüsterte er, »das meinst du nicht im Ernst. Das kann ich nicht glauben.«
    Er blickte in die Augen des Mannes. Sie waren nicht geschlossen, sie standen so weit offen, dass er die Pupillen sah, die ihm so anders vorkamen.
    So starr. Irgendwie künstlich. Das war auf keinen Fall mehr normal.
    Ein schrecklicher Gedanke stieg in ihm hoch. Plötzlich war er bereit, seiner Freundin zuzustimmen. Dieser Mann machte nicht den Eindruck eines Schlafenden.
    »Er ist tot – oder?«, flüsterte Krista.
    Rudy Reiking fühlte zuerst am Hals nach dem Puls und stellte fest, dass er nicht zu spüren war. Erst nachdem er dies hinter sich hatte, erhob er sich, drehte sich um und schaute seiner Freundin ins Gesicht.
    Die sah ihn an, stellte keine Frage, sondern schluckte nur und verlor alle Farbe aus dem Gesicht.
    »Ja, er ist tot, Krista«,

Weitere Kostenlose Bücher