1772 - Ein Grab in den Bergen
Karten.«
»Und wie soll es weitergehen?«
»Keine Ahnung.« Krista verzog die Lippen. »Wir sind Zeugen, aber wir werden es dabei belassen. Man wird uns nicht glauben. Engel gibt es nicht und tote schon gar nicht. Das ist eben so. Ob es uns passt oder nicht.«
Rudy nickte nur. Er wusste nicht, was er sonst tun sollte. Er fühlte sich nicht mehr gut. Alles war anders geworden, und er sehnte sich danach, von hier wegzukommen, um woanders zu sein, wo es keine toten Engel gab.
»Wir wissen immer noch nicht, wie die Gestalt ums Leben gekommen ist«, sagte Krista.
»Ach. Ist das wichtig?«
»Ja, mich würde es schon interessieren. Wir haben keine Verletzung gesehen und ich frage mich, ob Engel einen Herzinfarkt erleiden können.«
»Bestimmt nicht.«
»Und trotzdem ist er tot.«
Rudy winkte ab. »Ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist. Ich habe auch keine Lust mehr, mir Gedanken über dieses Phänomen zu machen. Ich denke, dass wir von hier verschwinden sollten. Alles andere ist unwichtig.«
»Der Meinung bin ich auch. Aber was sagen wir? Wem erzählen wir von unserem Fund?«
»Keinem.«
Krista ballte ihre Hände zu Fäusten. »Wir müssen es aber melden. Wir können den Körper nicht den Geiern überlassen.«
»Wir werden ihn auch nicht dort liegen lassen. Wir rufen bei der Bergwacht an, anonym natürlich, und die Leute werden dafür sorgen, dass man die Leiche abtransportiert. Alles andere soll uns nicht mehr jucken.«
Krista nickte. »Das ist wohl die beste Lösung.«
»Darauf kannst du dich verlassen.«
»Aber ich würde schon gern wissen, was es mit ihm auf sich hat. Diese Gestalt hat mich neugierig gemacht, sie muss doch irgendwoher gekommen sein.«
»Ja, Engel kommen aus dem Himmel.«
Sie musste lachen. »Zur Not auch das. Aber so richtig glauben kann ich das nicht.«
»Müssen wir auch nicht.«
Einen letzten Blick des Abschieds warfen die beiden auf den toten Engel. Wohl fühlten sie sich nicht. Sie hätten gern weiter geforscht, aber das konnten sie sich abschminken. Bei einem normalen Toten wäre das etwas anderes gewesen, nicht aber bei diesem Engel, der einfach nur unerklärlich war.
Den Weg ins Tal mussten sie ohne Hilfsmittel zurücklegen. Es gab keine Seilbahn, die nach unten geführt hätte.
Es war ein mühevoller Abstieg. Aber die beiden kannten sich aus. Sie waren im Gebirge erfahren und hatten schon in ihrer Heimat Norwegen zahlreiche Wanderungen und Klettertouren hinter sich gebracht.
Über manche Geröllhänge schlitterten sie hinab, um den Weg abzukürzen. Sie hätten sich auch auf den normalen Routen halten können, was sie nicht wollten. Irgendetwas trieb sie an, so schnell wie möglich in die Tiefe zu gelangen, wo sie ihr Auto abgestellt hatten. Es gab da einen kleinen Parkplatz, fast schon am Rand eines Dorfes. Von diesem Ort aus hatten sie ihren Aufstieg begonnen, und als sie das Fahrzeug erreichten, waren sie froh, sich in den kleinen Renault setzen zu können.
»Geschafft!« Rudy stieß die Luft aus. »Und das in so kurzer Zeit.« Er wischte den Schweiß von seiner Stirn. »Was sagst du dazu?«
»Ich freue mich.«
»Denkst du noch an den Toten?«
»Ja, den werde ich nie vergessen. Und ich weiß auch nicht, ob das richtig ist, was wir vorhaben.«
»Wie meinst du das?«
»Ganz einfach. Ich denke nicht, dass wir den Fund für uns behalten sollten. Wir müssen es melden.«
Ihr Freund winkte ab. »Dann tun wir es doch in Gottes Namen...«
***
»Ich weiß ja nicht, ob es interessant für dich ist, John, aber für mich ist es ein Phänomen.«
»Was denn, Maxine?«
»Bei uns in Dundee wird ein toter Engel ausgestellt. Es ist die Sensation. Die Menschen sprechen kaum von etwas anderem. Hast du noch nichts davon gehört?«
»Habe ich nicht.«
»Dann solltest du ihn dir anschauen.«
Da hatte Maxine Wells, die Tierärztin, wohl recht. Aber ich hatte noch eine Frage.
»Darf ich wissen, woher er kommt?«
»Er wurde in den Bergen aufgefunden. Tot natürlich. Man hat ihn geborgen und hierher nach Dundee geschafft. Jetzt wird er ausgestellt.«
»Und ihr seid sicher, dass es ein Engel ist?«
»Zumindest ein Mensch mit Flügeln. Und die sind nicht angeklebt, sondern angewachsen.«
»Also ein Engel, sagen die Leute.«
»Genau.«
»Und was sagst du?«, fragte ich.
Maxine drückte sich nicht um die Antwort herum. »Ich bin auch dafür. Ich würde ihn gern sehen, und ich werde ihn auch zu Gesicht bekommen. Aber nicht allein. Wenn du Lust und Zeit hast, kannst du
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