1779 - Tréogen
klangen logisch. Wir mußten zunächst feststellen, wie groß der verwüstete Bereich überhaupt war, und dann nach der Fortsetzung unseres bisherigen Weges suchen. Alles, woran sich Tolot bisher orientiert hatte, war zusammengebrochen. Und daß von Harold Nyman keine Hilfe zu erwarten war, zeigte ein Blick in dessen blasses Gesicht.
Er war entsetzt und verständnislos. Der plötzlich Anblick der Verwüstungen war ein Schock für ihn gewesen. Hätte er diesen Ort jemals zuvor betreten, dann wäre die Erinnerung durch diesen Schock zurückgekehrt - dessen war ich mir sicher.
Icho Tolot ließ sich auf die Laufarme nieder und schoß davon. Einige von uns protestierten, bis ich sie beruhigte und ihnen zurief, wieder die Aggregate zu benutzen. Einige Meter über dem zerrissenen, trümmerübersäten Boden flogen wir hinter dem Haluter her, der jetzt das einzig Richtige tat: keine weitere Zeit verlieren, sondern handeln und sich die Fragen für später aufheben.
Vielleicht lagen die Antworten ja direkt vor uns.
*
Wir durchquerten die Höhle. Tolot hatte bereits einen Ausgang entdeckt und war darin verschwunden. Fluchend folgten wir ihm wie die Küken der Henne, fädelten uns durch eine Öffnung in meterdicker Metallwand, die ebenfalls nicht natürlich entstanden war. Wir kamen in einem weiteren „Dom" heraus, kaum kleiner als der erste, und die Zerstörungen waren hier noch fürchterlicher.
Tolot machte keinen Halt, sondern rannte weiter, wie an der Schnur gezogen.
„Meinen Messungen und Berechnungen zufolge", teilte der Haluter überlaut mit, „sind die Verwüstungen vor rund zweitausend Jahren entstanden."
Wenn er es so freiheraus sagte, dann war es für sein Planhirn eine Tatsache.
Es ging weiter durch Trümmeransammlungen, die an den Rändern des Raums bis zur Decke reichten. Sie war hier an drei Stellen eingestürzt. Zerfetzte und durch Hitzewirkung losgerissene und verbogene Metallstränge ragten in sich gekrümmt in die Höhe wie wütende Schlangenleiber, denen die Köpfe abgerissen worden waren. Die bronzefarbenen Trauben, die mit ihnen verschmolzenen Schuttreste, alles das war wie in kalter Schlacke erstarrt - und noch einmal lief es mir kalt über den Rücken, als mir klar wurde, daß sich absolut nichts bewegte, nichts außer uns.
Erst da begriff ich, wie sehr wir uns schon an das langsam pulsierende Eigenleben des Vario-Metalls gewöhnt hatten.
Hier war es, als habe das Herz der Evolutionsebene aufgehört zu schlagen, einer der phantastischsten Organismen, die ich je kennengelernt hatte.
Auch diesen Hohlraum durchquerten wir zügig. Tolot führte uns diesmal durch einen langen, aber „gewachsenen" Stollen von mehreren Metern passierbarer Breite. Früher einmal mochte er Platz für ein kleines Heer geboten haben, doch nun war er halb verschüttet, und wir mußten uns den Weg suchen.
Tolot räumte tüchtig für uns auf, bis wir den dritten Hohlraum betraten.
Wir ahnten sofort, daß wir hier im Zentrum dessen waren, was diesen Bereich verwüstet und zerstört, ja getötet hatte. Denn es gab keine Decke mehr. Sie war fortgesprengt worden; die Wände endeten in einigen Dutzend Metern Höhe wie die in die Höhe ragenden Zähne eines riesigen Mauls. Wo sie diesen Raum von umliegenden Räumen getrennt hatten, war nichts mehr.
Eigentlich hätte heruntergekommener Schutt diesen ganzen riesigen Kessel zugeschüttet haben müssen, doch es fanden sich nur wenige Trümmerhalden. Entweder hatte sich über einer dünnen Decke ein noch gewaltigerer Leerraum befunden, oder die herabkommenden Metallmassen waren desintegriert worden, durch unvorstellbare Hitze in Sekundenschnelle aufgelöst und verdampft, um sich anderswo als kondensierende Glasur niederzuschlagen.
Das Licht reichte jedenfalls nicht aus, um irgendwo über uns die Decke einer weiteren Etage erkennen zu lassen. Wir mußten am Boden eines vielleicht kilometertiefen Abgrunds stehen - und waren diesmal nicht traurig darüber, daß Tolot uns zum Weitergehen antrieb.
Wir durchquerten noch insgesamt drei solcher verwüsteter Räume im technischen Wirrwarr der Unterwelt. Dann hatten wir die Zone der Zerstörung hinter uns.
Aber leider auch den Großteil unserer Zeit. Nur etwas weniger als eine Stunde blieb uns bis zum Ende der aktuellen On-Phase.
Icho Tolot brauchte noch einmal die Hälfte davon, bis er glaubte, den unterbrochenen Pfad wiedergefunden zu haben. Nach seinen Berechnungen durchmaß die Zone der Verwüstung etwas mehr als einen
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