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178 - Die vergessene Macht

178 - Die vergessene Macht

Titel: 178 - Die vergessene Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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dominieren durch mentale Überlegenheit!) Grao’sil’aana wischte seinem Wirtskörper den Schaum vom Mund. (Wir sind die Wissenden, und wir verschwenden keine Zeit auf nutzlose Betätigungen!) Er nickte bekräftigend: Träumen war nutzlos. Oder mit einem Schwert aus Holzstücken auf imaginäre Feinde losgehen. Dennoch beneidete Grao’sil’aana seinen Schützling manchmal – nicht um das, was Daa’tan tat, sondern um das, was der Junge dabei sah . Daa’muren kannten keine Träume und keine Fantasie, und damit fehlte ihnen der Schlüssel zu einer geheimen zweiten Welt der Primärrassenvertreter. Je länger Grao’sil’aana darüber nachdachte, desto mehr stellte sich ihm die Frage, ob seine Rasse wirklich so überlegen war wie angenommen.
    (Meine Isolation ist schuld an solchen Gedanken! Ich bin nur noch von emotionsgesteuerten Individuen umgeben, das untergräbt meine Persönlichkeit! Sie muss unbedingt vor schädlichen Einflüssen geschützt werden!) , dachte Grao’sil’aana und beschloss, sich in der Abgeschiedenheit seiner Kajüte mit dieser Aufgabe zu befassen.
    Eigentlich hatte er vorgehabt, die Gedanken der Schiffsbesatzung zu scannen. Das war eine Standardmaßnahme, wenn Daa’tan und er auf Fremde trafen. Doch unter den gegebenen Umständen erschien es nicht opportun: Seeleute waren erfahrungsgemäß mit einer blühenden Fantasie ausgestattet, und das Letzte, was Grao’sil’aana jetzt brauchen konnte, waren noch mehr bunte Bilder im Kopf. So gab er Daa’tan den Befehl, wachsam zu sein, und zog sich zurück.
    Daa’tan ahnte nicht, wie sehr er Grao’sil’aana verunsichert hatte mit seiner Bemerkung über abgereiste Daa’muren und Grao als Fremden unter Fremden. Es wäre ihm auch egal gewesen, denn Daa’tan war mit wichtigen Dingen beschäftigt. Kapitaan Bell hatte ihm ein neues Messer geschenkt und demonstrierte gerade, wie man damit umging.
    »Du nimmst die Klinge zwischen Daumen und Zeigefinger, siehst du: so!«, sagte er. Bell stand hinter Daa’tan, griff um den Jungen herum und ordnete dessen schmale Finger. Dann umfasste er Daa’tans Handgelenk.
    »Jetzt schau an den Fockmast! Er ist dein Ziel, lass es nicht aus den Augen! Fertig?«
    Daa’tan nickte stumm.
    »Also dann.« Bell zog den Arm des Zwölfjährigen sacht nach hinten. »Jetzt holst du aus und wirfst das Ding, so fest du kannst. Vergiss nicht, loszulassen. Ab damit!«
    Das Messer flog, traf und blieb zitternd im Holz des Mastes stecken. Kapitaan Bell klopfte Daa’tan auf die Schulter.
    »Gut gemacht!«, sagte er, trat drei Schritte vor und riss das Messer frei. Er gab es dem Jungen zurück. »Aus dir wird mal ein richtiger Kämpfer! Du hast Talent, das merkt man!«
    Daa’tan war beglückt und verlegen zugleich. Er wusste nicht, wie er auf Bells Lob reagieren sollte. Grao hatte ihn noch nie gelobt. Das würde er auch nie tun, schon gar nicht für einen Messerwurf. Erst recht nicht, wenn jemand Daa’tan dabei unterstützt hatte.
    »Willst du es mal allein versuchen?«, fragte der Kapitaan.
    »Ja, gern!«
    »Aber immer schön aufs Holz zielen und nicht auf die Männer da vorn, hörst du?«
    Daa’tan beugte sich zur Seite. Verdeckt vom Fockmast standen zwei Mönche am Bug. Sie blickten aufs Meer hinaus, zeigten mal hier hin, mal dort hin, und unterhielten sich dabei. Daa’tan wandte sich an den Kapitaan.
    »Die planen was!«, flüsterte er.
    Der rotbärtige Mann lachte laut. Er fuhr sich über die Augen und musterte Daa’tan amüsiert. »Wie kommst du nur darauf? Glaub mir, Junge, die sind völlig harmlos! Wenn sie irgendwas tun außer beten, essen, schlafen und wieder beten, dann ist das Glück bringen.«
    »Glück bringen?«
    »Ja.« Bell zeigte nach achtern, wo verborgen im Frühnebel die Insel Sumatra lag. »Ich kann nicht sagen, warum das so ist, aber Piraten greifen keine Mönche an! Ich hatte schon überlegt, unsere fünf am Heck aufzustellen, falls ein schwarz beflaggter Segler auftaucht.« Er zwinkerte Daa’tan zu. »Du weißt schon, als lebende Schutzschilde.«
    Der Zwölfjährige dachte nach. »Man müsste sich also nur als Mönch verkleiden, um an die Piraten heranzukommen.«
    »Und ihre Schätze zu plündern?«, ergänzte der Kapitaan lächelnd. »Du bist ein kluger Junge! Leider interessieren sich unsere Mönche nur fürs Beten. Wären sie so vernünftig wie du, könnten sie unglaublich reich werden. Immerhin reisen sie nach Java – und das ist die Schatzinsel der Sumatra-Piraten.«
    Daa’tans Augen weiteten

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