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178 - Die vergessene Macht

178 - Die vergessene Macht

Titel: 178 - Die vergessene Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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als nutzlos: Selbst wenn jemand gewusst hätte, was ein Teekocher war, hätte er nichts damit anfangen können.
    Ein leises Nachbeben ließ den Boden erzittern, und der Grandlord befahl dem Clan, die Mine zu verlassen.
    Wasser tropfte von der Decke. Irgendwo knisterte etwas.
    »Lass uns verschwinden, Roddy!« Tom griff nach seinem Bruder. »He, was ist? Bist du taub?«
    Der Grandlord antwortete nicht. Er betrachtete ein Bild, nahm ruhig und sachlich alle darin enthaltenen Informationen auf – doch sein Herz hatte bereits Feuer gefangen. Dieses Gemälde zeigte einen Gegenstand, der auch in den anderen Bildern vorkam, hier jedoch im Mittelpunkt stand. Er war von Schriftzeichen und kleinen Einzelbildern umgeben: einer Landkarte, einem Pyramidentempel und einer Kartusche mit fünf rätselhaften Zeichen. Der Grandlord tippte darauf.
    »Präg dir das ein, Tom!«, befahl er eindringlich.
    Wieder rumpelte es im Boden. Staub rieselte von der Decke; das Knistern verstärkte sich, und mit ihm Toms Angst.
    »Mann, das hört sich an, als ob hier gleich was einstürzt!« Er zerrte am Arm seines Bruders. »Komm schon, Roddy, wir müssen los!«
    Der Grandlord fügte sich seufzend. »Hast du dir die Zeichen gemerkt?«
    »Ja.«
    »Sicher?«
    »Ja doch!« Tom nickte ungeduldig.
    »Gut. Dann kann ich mich auf die Karte konzentrieren. Da ist der Umriss einer Insel drauf, den darf ich nicht vergessen. Ich werde die Technos fragen, ob sie diese Insel kennen. Oh – und ich brauche ein Schiff!«
    »Sollst du haben, Roddy. Aber erst müssen wir hier…« Tom brach ab, denn aus dem Knistern war ein Knirschen geworden, und er sah mit Entsetzen, wie quer durch den Raum die Decke aufriss. Erste Steinbrocken fielen. Sie zermalmten die Skelette am Boden. Tom warf sich herum und floh.
    Auch sein Bruder rannte los. Er ließ eine heruntergebrannte Fackel zurück, die durch den Luftzug des fallenden Gesteins noch einmal aufflammte. Ihr Widerschein durchbrach die staubgefüllte Dunkelheit, machte die Gemälde ein letztes Mal sichtbar. Der Grandlord drehte sich nach ihnen um, und in dem Moment traf ein Stein das Ende des Fackelstocks.
    Brennendes Werg wurde in die Höhe geschleudert und zerfiel in kleine Lichter. Sie sanken vor dem Bild herunter, das den Mann so fasziniert hatte, und sie brannten das merkwürdige Wort in sein Gedächtnis ein, das über allem anderen stand: Nuntimor.
    War es ein Name? Oder ein Fluch? Der Grandlord wusste es nicht. Anderthalb Jahre später sollte er die Antwort kennen. Als sein Schiff im Herbst 2522 einen indischen Hafen verließ, hatte der Mann aus Cornwall eine Katastrophe erlebt, und auch der nächsten konnte er nicht entkommen. Er fuhr direkt auf sie zu…
    ***
    8. November 2522
    Gefangen im tosenden Fluss. Dumpfes Rauschen, kein Licht, kein Land. Nur noch Wasser. Überall. Es drang in Mund und Nase, brannte in den Lungen. Luft! Oh, bitte!
    Luft! Plötzlich zwei Hände, warm und rettend. Fremder Herzschlag am Rücken, eine Stimme. Ich bin hier! Keine Angst, ganz ruhig! Ich bin hier!
    »Daa’tan! Daa’tan!«
    Daa’tan schoss hoch, schweißgebadet und keuchend.
    Der Daa’mure an seiner Seite beendete sein heimliches Mithören und zog sich aus dem Geist des Jungen zurück.
    »Komm zu dir!«, befahl Grao’sil’aana. »Es war nur ein Traum!«
    Daa’tan setzte sich auf, strich sein feuchtes Haar aus der Stirn. Er blinzelte ein paar Mal und atmete tief durch, um richtig wach zu werden.
    »Ich muss sie finden«, sagte er übergangslos.
    Grao’sil’aana war verwirrt. »Wen meinst du?«
    »Die Frau.« Daa’tan stand auf, klopfte den Sand von der Kleidung. »Die Frau aus meinem Traum! Du weißt schon, Grao: die mich gerettet hat.«
    Grao! Die Miene des ranghohen Daa’muren verdüsterte sich. Wenn sein Schützling ihn Grao nannte, konnte man davon ausgehen, dass es ihm gut ging.
    Weitere Zugeständnisse an den Zwölfjährigen waren also nicht erforderlich. Grao’sil’aana kehrte auf seine bevorzugte mentale Kommunikationsebene zurück.
    (Wie oft habe ich dir gesagt, dass es nicht opportun ist, seinen Lehrer respektlos anzusprechen?)
    »Hmm.« Daa’tan tippte sich ans Kinn. »Welche Zahl kommt nach Siebentausendfünfhundertzwei?« Er grinste frech, sprang auf und rannte los, den Strand hinunter. Es war schwül auf Mee’lay(westlicher Landesteil von Malaysia), trotz der späten Jahreszeit, und ein Bad in der Brandung versprach angenehme Abkühlung.
    Grao’sil’aana blieb im Schatten der Palmen sitzen, ließ den

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