1781 - Die Nackten und die Seherin
eingeladen worden zu sein. Das kann ich nicht akzeptieren. Das hier ist der Erste Himmel der Engel, und diejenigen, die sich da nackt zusammengefunden haben, sind alles andere als Engel. Sie sind genau das Gegenteil, und ich will sie nicht haben.«
»Aber gegen mich hast du nichts?«
»Darüber werde ich noch nachdenken müssen, aber die Nackten will ich auf keinen Fall haben.«
»Dann stößt du sie wieder zurück?«
»Das hatte ich vor.«
Glenda fragte weiter. »In die Hölle hinein oder nur ins Fegefeuer?«
»Ich weiß es nicht. Es kommt darauf an.«
Gabriel war der Herrscher. Er konnte tun und lassen, was er wollte. Er war ein mächtiger Erzengel, der auf diese Welt achtgab, und die Nackten waren nicht willkommen.
Das hatten auch sie inzwischen gemerkt. Sie suchten nach einem Ausweg, denn sie wussten, dass sie von der anderen Seite keine Gnade erwarten konnten.
Aber wo sollten sie hin?
Es war ihnen anzusehen, dass sie verzweifelt nach einem Fluchtweg suchten. Sie würden ihn nicht finden, denn es gab ihn nicht. Egal, in welche Richtung sie liefen, sie würden immer gestoppt werden.
Einer versuchte es.
Nein, es war eine Frau. Die nackte Frauengestalt huschte nach links weg. Wohin sie wollte, war unklar. Sie wurde gesehen, aber Gabriel tat nichts. Er blieb in seiner Deckung stehen.
Gab es doch eine Chance?
Nein, es gab sie nicht, denn aus dieser Eishölle lösten sich zwei Gestalten. Auch sie brauchten den Kontakt mit dem Boden nicht, denn sie huschten über ihn hinweg.
Und sie schnitten der Flüchtigen den Weg gab.
Die Frau schrie auf, als man sie packte und in die Höhe riss. Wie ihre Peiniger genau aussahen, das sah Glenda nicht. Da war die Sicht einfach zu schlecht. Aber die Nackte war zu sehen. Sie wurde einfach weggeschleudert und zwar hinein in die Umgebung, in der Gabriel stand.
Jeder sah die Hand. Seine Hand. Eine übergroße Pranke, mit der er den Körper auffing. Lange hielt er die Frau nicht fest. Es war zu sehen, wie der Erzengel ausholte und die Nackte von sich schleuderte.
Sie war nicht tot. Sie konnte sich bewegen. Arme und Beine zappelten, sie schrie auch, und es war ein gewaltiger Schrei der Verzweiflung, der in den Ohren der Zuhörer widerhallte.
Dann verlor er sich und es hörte sich so an, als würde er in eine bodenlose Tiefe fallen.
Schließlich war es ruhig.
Glenda hielt den Mund, um den Erzengel nicht zu reizen. Sie hatten etwas erlebt, was nicht eben erbaulich war. Die Härte eines Erzengels war ihr vor Augen geführt worden. Die erste Frau war aus dieser Welt entfernt worden. Wohin?
Das fragte sich Glenda und wagte es dann auch, diese Frage laut zu stellen.
»Wo ist sie? Was hast du mit ihr gemacht...?«
»Sie gehörte nicht hierher. Es war ein Anfang. Den anderen steht das gleiche Schicksal bevor.«
»Und wo ist sie jetzt?«, fragte Glenda.
»Willst du ihr folgen?«
»Nein, ich will nur wissen, wo sie sich jetzt befindet.«
Es folgte ein Lachen, dann erst die Antwort. »Sie wird weiterhin leiden müssen, das Fegefeuer wird sie irgendwann fressen. Wie auch die anderen, die noch hier warten. Und du hast sie hergebracht. Du bist die eigentlich Schuldige.«
Die Worte trafen Glenda wie Hammerschläge. Sie fluchte in sich hinein, und sie verfluchte das verdammte Serum in ihrem Blut, das ihr diese Macht gegeben hatte.
»Und wie willst du darauf reagieren?«, rief Glenda.
Sie erhielt keine Antwort, was sie wunderte. Aber sie sah nicht weit entfernt eine Bewegung.
Drei neue Gäste waren gekommen.
Aber drei, die sie kannte.
John Sinclair, Elisa und Raniel, der Gerechte.
Jetzt wusste sie gar nichts mehr...
***
Und wir wussten auch nichts, nachdem wir die Reise hinter uns gebracht hatten.
Wir waren da.
Wir waren im Ersten Himmel der Engel. Darüber musste ich mir Gedanken machen. Damit musste ich erst einmal fertig werden. Das war völlig neu für mich. Zunächst schaute ich mir an, wo wir gelandet waren. Es war eine helle, schon eisige Welt, ohne dass die Temperaturen am Boden lagen. Das heißt mit anderen Worten, dass es nicht kalt war und einfach nur so aussah.
Ich sah Raniel an meiner Seite, der mich losgelassen, aber seinen anderen Arm immer noch auf der Schulter seiner Tochter liegen hatte.
Glenda Perkins stand noch zu weit entfernt von uns, und sie war nicht allein, denn ein Nackter hielt sich bei ihr auf. Beide schauten sie in eine bestimmte Richtung, von der wir noch nichts sahen.
Wir mussten uns schon um einiges zur Seite bewegen, um einen freien
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