1784 - Geisterauge
es schien nicht ihre zu sein. Ein harter Ton hatte sich darunter gemischt, und sie war auch von ihren körperlichen Reaktionen her verändert. Sie nahm so etwas wie eine Kampfhaltung ein.
»Geht weg!«, warnte sie uns. »Es kann für euch nur tödlich werden. Haut lieber ab.«
Nein, das wollten wir nicht. Auch wenn das Licht aus dem Jenseits angekündigt worden war.
»John, wir müssen hier weg!«
»Ich weiß.«
»Nehmen wir sie mit?«
Fast hätte ich gelacht. »Keine Ahnung, ob das möglich ist. Sie benimmt sich ganz anders.«
»Richtig, das ist nicht mehr sie. Wir müssen eine Entscheidung treffen und...«
Die Entscheidung wurde getroffen, nur nicht von uns, sondern durch eine andere Seite.
Wir wussten nicht, woher es kam, aber es war blitzschnell da und breitete sich aus. Zuerst dachten wir an einen Schleier, dann erkannten wir, dass es schon etwas anderes war.
Licht!
Ja, einfach nur das andere Licht. Aus dem Jenseits stammend, so war es bezeichnet worden. Es gab bei ihm keinen Anfang und auch kein Ende, es war plötzlich da, und wir nahmen es nicht unbedingt als positiv auf.
Und auch Sarah Lane war da.
Sie suhlte sich in diesem Licht. Es ging ihr blendend. Sie schien plötzlich erwachsen zu werden. Dazu gehörte auch, dass sie die Arme in die Höhe riss und wir erleben mussten, dass die uns über war. Das Licht hatte ihr die Chance gegeben. Es holte sie einfach von uns weg. Sie trat nach vorn und genau da, wo sie stand, blähte sich das Licht regelrecht auf. Es wurde viel intensiver und so stark, dass es das andere auffraß.
In diesem Fall war es Sarah Lane, die in das Licht hineinglitt, aus dem wir noch eine Stimme hörten.
»Das Auge sieht alles...«
Dann sahen wir nichts mehr.
***
Wir standen im Zimmer und hatten nichts getan, um die Person zurückzuhalten.
Es war schlimm gewesen, wir schauten uns an, aber es blieb bei den stillen Vorwürfen.
Jane musste etwas loswerden. »Hast du damit gerechnet, dass man uns so verlädt?«
»Nein, Jane. Aber sind wir nicht selbst schuld? Wir haben uns benommen wie Anfänger. Wir haben uns überraschen lassen, obwohl wir darauf gefasst sein mussten.«
»Es ging eben zu schnell.«
»Auch«, gab ich zu.
»Und weiter?«
»Sarah ist ein Kind, das zählt auch.«
»Ja, das stimmt.« Jane schloss für einen Moment die Augen. Sie schüttelte den Kopf und sprach davon, dass ein Kind auch jemanden getötet hatte.
»Dann ist sie kein Kind mehr, nicht in dem Sinne, auch wenn sie noch so aussieht.«
»Man hat sie manipuliert«, stellte ich fest. »Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen.«
»Das Auge.«
»Sicher.«
»Und was ist mit dem Licht?«
»Keine Ahnung. Aber wir können vielleicht davon ausgehen, dass es durch das Auge gekommen ist. Das Auge hat das Licht mitgebracht. Die Beleuchtung aus dem Jenseits«, sagte ich etwas spöttisch. »Und wir haben den Kürzeren gezogen.«
»Warum?«
»Weil wir zu schlecht gewesen sind.«
Da widersprach Jane Collins nicht. Sie wollte nur wissen, wo sich die beiden wohl jetzt aufhielten, aber eine Antwort konnte ich ihr auch nicht geben.
In diesem Zimmer hatten wir nichts mehr verloren. Wir mussten einer anderen Pflicht nachkommen, und die war mehr als traurig. Wir konnten die beiden Leichen nicht länger in der Wohnung liegen lassen. Sie mussten abgeholt werden.
Die Toten fanden wir noch so, wie wir sie verlassen hatten. Natürlich würde es Fragen an uns geben, aber wir würden uns verschlossen halten und auf keinen Fall davon sprechen, dass wir den Mörder bereits kannten.
Ich telefonierte. Jane Collins hatte den Weg in die Küche gefunden und trank einen Schluck Leitungswasser. Sie schaute dabei ins Leere.
»Die Kollegen wissen Bescheid.«
»Ja, das ist gut.« Sie schob das Glas zur Seite. »Warum, John, warum hat sie das getan?«
»Ist sie das gewesen?«
»Wer sonst?«
Ich atmete schwer aus. »Das ist eine Hypothese, aber ich kann mir auch vorstellen, dass Sarah Lane nur die Hülle für etwas ganz anderes ist, das in sie eindrang.«
»Ach ja? Und was?«
»Ich habe keine Ahnung. Ich weiß es nicht. Das kann mit dem Licht zusammenhängen.«
»Aber du hast nicht reagiert, John.«
»Wie meinst du das?«
»Du hättest vielleicht das Licht mit dem Licht bekämpfen können, das aus deinem Kreuz gekommen wäre.«
»Ja, Jane. Gekommen wäre. Es ist aber nicht gekommen, und das ärgert mich auch. Ich hatte den Eindruck, ein Hemmnis zu erleben. Das Kreuz hätte eigentlich reagieren müssen.«
»Und
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