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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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ans Herz und drückte heiße Küsse auf ihre Lippen. Auch Ludwig, Bernhard, Bianka hatten sich genähert; sie empfingen einen stummen, schmerzvoll innigen Gruß von der hohen Frau.
    Sie war bleich; der Gram hatte ihre edeln Züge tief gefurcht; Tränen vergoß sie nicht, aber der Glanz des Auges war erloschen. »Ich wollte euch noch einmal wiedersehen«, sprach sie nach langem Kampfe mühsam, und reichte Bernhard und Ludwig die Hand dar; dann verstummte sie wieder. Die Frage nach Rasinski schwebte auf aller Lippen, doch wagte sie niemand zu tun.
    »Und Sie kommen allein, ganz allein?« begann endlich Bianka mit zagender Stimme. »O lassen Sie uns nicht länger in banger Ungewißheit um das Geschick so teuerer Wesen.«
    Die Gräfin seufzte aus tiefer Brust und blickte gen Himmel. »Ich komme allein! Ganz allein! Das ist meine Antwort!« erwiderte sie und schauerte zusammen. – »Und Lodoiska?« fragte Marie mit bebenden Lippen. – »Wähntest du, sie würde ihren Schmerz überleben? Seit einem Jahre schlummert ihr gequältes Herz in Frieden. Ihr ist wohl!« – »Und Rasinski!« rief Bernhard, der nicht mehr an sich zu halten vermochte. Ein schwerer Kampf war auf dem Antlitz der Gräfin zu lesen: »Auch ihm ist Ruhe geworden!« sprach sie endlich langsam. »Man sah ihn zuletzt in der Schlacht bei Leipzig in der Nähe des Fürsten Poniatowski; – weiter weiß ich nichts von ihm.«
    Längst hatte das bebende Herz es geahnt; doch die Erfüllung berührte es mit vernichtender Erschütterung. Marie sank schauernd an Bernhards Brust; er schloß sie fest an sich, sein Haupt neigte sich auf das ihre, und seine Tränen netzten ihre Stirn. Ludwig stand vom tiefsten Schmerz bezwungen und heftete den von Tränen umdunkelten Blick auf den Boden. Bianka verhüllte sich das weinende Auge und lehnte die Wange ermattet gegen die Schulter des Freundes. »Ich weine nicht mehr um ihn«, sprach die Gräfin, doch bebte ihre Stimme wie sanft gerührt; »ich habe auch wenig geweint. Wohl ihm, daß sein Auge sich geschlossen hat, daß es diese Tage nicht sieht! Würde sein edles Herz unsere Schmach ertragen? Gewiß, ihm ist besser.«
    Marie wankte zu ihr und warf sich ihr weinend ans Herz. »O meine Mutter!« schluchzte sie in Tränen erstickend.
    »Tochter, meine Tochter!« rief die Gräfin, und jetzt brach ein heißer Strom von Tränen auch aus ihren Augen hervor: »Eine Tochter an meiner Brust! O ich kann wieder weinen!« Auch Bianka näherte sich und legte ihren Arm weich um den Nacken der hohen Gestalt. »Ruhe bei uns aus, du Schwergebeugte,« bat sie tröstend; »wir wollen deine Töchter sein!«
    Die Gräfin sah sie einen Augenblick mit fragenden Blicken an; ein heftiger Kampf bewegte ihre Brust; es zog sie mit sanften Armen wieder in das Leben, in das milde Reich der Freude zurück. Doch plötzlich richtete sie sich auf, entzog sich der Umarmung der Weinenden, bewegte verneinend das Haupt und sprach: »Nein, nein, es ist unmöglich! Sollte ich, ein ewiges versteinertes Bild des Grams, mich hinsetzen in die Hallen euers Glücks und jeden Kelch der Freude vergiften? Nein, nein, nimmermehr!«
    In Haltung und Stimme drückte sich die Unabänderlichkeit ihres Entschlusses so fest aus, daß niemand die Bitte zu wiederholen wagte. Indem hüpfte das blondlockige Töchterchen Alisettens, Nadine, zwischen den Gebüschen hervor und blieb erstaunt vor der Fremden stehen und betrachtete sie mit ihren großen unschuldigen Augen.
    Eine seltsame Rührung bewegte die Brust der Gräfin beim Anblick dieses Kindes, das sie sogleich erkannte. »Kennst du mich noch, Nadine?« fragte sie mit kaum hörbarer Stimme. Statt zu antworten sah das Kind sie noch immer an und schmiegte sich dann mit dem Lockenköpfchcn vertraulich in ihren Schoß. Zu erschüttert, drängte die Gräfin es sanft hinweg und wandte sich ab, um zu gehen. »Bleibe bei uns, schöne Dame«, rief Nadine ihr freundlich nach, als sie gegen die Gartenpforte zuging. Rasch wandte sie sich um, hob das Kind auf, küßte es, drückte es ans Herz und fragte bewegt: »Willst du mit mir gehen? Dieses Kind wäre ein süßer Trost in meiner tiefen Einsamkeit«, wandte sie sich zu Bianka und blickte sie fragend an.
    »Was du forderst, nichts, nichts kann ich verweigern«, erwiderte diese, wie tief ihr auch die Wehmut einer Trennung von dem liebgewordenen kleinen Wesen ins Herz drang.
    »Nein, auch das nicht«, sprach die Gräfin nach einigen Augenblicken stummen Kampfes sanft, aber fest, und ließ das

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