1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Kind auf den Rasen nieder. »Soll ich den schwarzen Trauerflor über seine heitere Jugend werfen? Soll es nur unter Zypressen wandeln, wo Totenurnen trauernd stehen? Nein, ich will die Tage, die ich noch leben muß – zum Allmächtigen hoffe ich, es werden nur wenige sein – nicht mit diesem Vorwurfe belasten. Weile unter Glücklichen, holdes Wesen!« Sie küßte das Kind und ließ es von sich; es ging zu Bianka hin und fragte teilnehmend: »Mutter, du weinst?«
»Ich kam nur, um Abschied zu nehmen,« begann die Gräfin nach einer Minute der tiefsten Stille gesammelt; »ich zitterte vor dieser Stunde, doch es wäre ungerecht gewesen, sie zu vermeiden. Ich gehe nach Amerika! Es kann mir ein Vaterland werden, denn es ist das einzige Land der Erde, wo eine freie Seele zu atmen vermag. Meine Heimat ist ein Kirchhof, ein Gefängnis, eine schmachvolle Richtstätte, – ein Weltmeer liege zwischen ihr und mir! – Wir wollen uns den Abschied nicht erschweren; rasch, entschieden zerreiße das letzte Band, das mich fesseln will. Lebt wohl, ihr Teuern, folgt mir nicht – erst nach meinem Tode sollt ihr wieder von mir hören.«
Sie ließ den Schleier über das Antlitz herab und ging mit raschen, stolzen Schritten hinweg, noch einmal mit der Hand zurückdeutend, daß niemand ihr folgen möge. Doch das tränendunkle Auge der Bleibenden hing begleitend an der majestätischen Gestalt, bis sie sich im Dunkel der Bäume und des Abends verlor.
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