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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Vorstudien zu der grandiosen Schilderung des Rückzugs, die Rellstabs Meisterroman »1812« aufweist. Langten auch hinterher noch vereinzelte geordnete Truppenteile an, so war doch offenbar die Macht Napoleons gebrochen, und der Aufruf des preußischen Königs vom 3. Februar 1813 zur Bildung freiwilliger Jägerbataillone schuf die Gedanken und Gefühle aller Patrioten in die Tat um. Die Schulen leerten sich, die nächsten Freunde und Mitschüler rückten ins Feld und wurden Männer in ihren Jugendjahren. Der noch nicht vierzehnjährige Rellstab mußte alledem tatenlos zusehen. Immer dichter zogen sich die Trümmer des französischen Heeres in Berlin zusammen; die ersten am 20. Februar erscheinenden Kosaken erregten gespenstische Furcht unter den Resten der großen Armee, während die Bevölkerung Berlins ihnen als Befreiern zujubelte. Die Überreste eines getöteten Kosaken wurden vom Volke wie Reliquien behandelt. Wenige Tage mußten über das Schicksal der preußischen Hauptstadt entscheiden. Ein letzter erbitterter Kampf zwischen den Gegnern schien sich hier seinen Schauplatz zu suchen. Da zogen sich bie Franzosen zurück, und unter dem Jauchzen der Bewohner rückten die Russen in ihre Quartiere. Dann kam die Kriegserklärung Preußens an Frankreich und die monatelange Unsicherheit der wechselnden Kämpfe; noch einmal schien das Schicksal der Hauptstadt besiegelt. Die Schlacht bei Großbeeren setzte aber dem Vordringen des Feindes ein Ziel.
    Am Tage dieser Schlacht, am 23. August 1813, wurde Rellstabs Vater begraben; auf einem Spaziergang hatte ihn der Schlag getroffen. Für des Sohnes Zukunft war dieser Unglücksfall entscheidend. Dem Wunsch, Soldat zu werden, war der Vater von vornherein ablehnend entgegengetreten; er sah, auch als sich das Glück den deutschen Waffen wieder zugesellte, die Ereignisse nicht in so leuchtenden Farben wie die Jugend, die sich an Theodor Körners Siegesliedern berauschte. Er hatte zuviel in seinem Vaterlande prächtig beginnen und traurig verkümmern sehen, er warnte vor Illusionen und sah mit Strenge darauf, daß das nächste Ziel, der Fortschritt in der Schule, nicht versäumt wurde. Mit dem Tode des Vaters fiel dieser Zwang. Als die Flucht Napoleons von Elba das deutsche Friedensgebäude abermals erschütterte, kam der neu entbrennende Krieg dem Jüngling wie eine Erlösung, als eine Erfüllung seiner sehnsüchtigsten Hoffnungen. Er war zwar noch nicht sechzehn Jahre, und das Gesetz erlaubte den Eintritt in das Heer erst mit dem siebzehnten. Dennoch meldete er sich am 1. April 1815 zum Dienst, wurde auch sofort angenommen, zunächst in der weniger ehrenvollen Rolle einer Ordonnanz, und dann als erster Freiwilliger in das neugebildete Freiwilligenbataillon des Majors von Colomb eingestellt. Aber er frohlockte zu früh. Sein jugendliches Alter und seine Kurzsichtigkeit machten ihn zum Felddienst untauglich, und die Mutter lehnte sich mit Recht dagegen auf, ihren einzigen Sohn, noch dazu als unbrauchbare Last, dem Heere zu übergeben. Major von Colomb, dem der Fall vorgetragen wurde, befahl ihm zurückzutreten. Diese Entscheidung war für den Knaben die schwerste aller seiner Jugenderfahrungen, sein Selbstvertrauen und starkes Selbstbewußtsein wurden dadurch bis zur Hoffnungslosigkeit erschüttert, und die Stunde, wo er seinen Vetter Häring mit zahlreichen Kollegen zum Abmarsch bis Potsdam begleitete und dann allein zurückkehren mußte, gehörte zu den schwersten seines Lebens. Ja, er gestand noch in seinem Alter, daß dieser Schlag das »Mark seines Lebens« geknickt und er sich nie davon habe erholen können.
    Nun mußte er wieder zur Schulbank zurück. Seit Januar 1815, wo ihn ein Nervenfieber befallen hatte, war sie ihm fremd geworden. Besser als er gefürchtet hatte, gelang es ihm jetzt, sich wieder mit ihr zu befreunden. Die Ereignisse hatten ihn gereift, und er bewies in diesem Sommer einen solchen Fleiß, daß ihn die Mutter mit einer Ferienreise ins Riesengebirge belohnte. Von dieser Reise sollte er fast schon als Soldat zurückkehren. Ein Erlaß des Kriegsministeriums gestattete soeben Leuten seines Alters den Besuch der Kriegsschule, um sich schon in jungen Jahren auf den Soldatenberuf vorzubereiten. Sobald ihn die Nachricht erreichte, reiste er nach Berlin zurück, unterwarf sich der vorgeschriebenen Prüfung und wurde im September 1815 aufgenommen.
    Damit war seine Knabenzeit abgeschlossen und sein Leben einem Berufe zugelenkt, zu dem ihn seine Fähigkeiten durchaus

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