1813: Die Völkerschlacht und das Ende der alten Welt (German Edition)
Park auch ein weiteres Österreicherdenkmal, das hier wenn auch nicht an einen großen Sieg, so doch zumindest an die Opfer der Soldaten von Kaiser Franz an dieser Front erinnern kann. Offensichtlich wollte man, als zum Jubiläum von 1913 das neue Denkmal errichtet wurde, diesen Abschnitt des Schlachtfelds nicht allein dem Gedenken an die Heldentaten der Gegner überlassen, an die der Apelstein erinnert.
Das nächste Exemplar der fünf damals gestifteten österreichischen Siegesmale steht nur ein paar Autominuten entfernt weiter westlich an der Antonienstraße in Kleinzschocher. Diese Ortschaft hatte General Gyulai mit seinem Heer auf dem linken Flügel der alliierten Hauptarmee am 16. Oktober erobert, als er in Richtung Lindenau marschierte. Weil er sich von den numerisch weit unterlegenen Franzosen aber gleich wieder zurückdrängen ließ, nennt dieses Denkmal nur die Schlachttage vom 18. und 19. Oktober. Allerdings wurde an dieser Stelle von den Österreichern generell nichts sonderlich Heldenhaftes geleistet: Sie sahen an den beiden letzten Tagen der Schlacht nur zu, wie die französische Armee sich über die nahe Chaussee nach Weißenfels zurückzog.
Das südliche Schlachtfeld des 16. Oktober ist damit abgeschritten, doch die vorentscheidenden Kämpfe dieses Tages hatten ja ohnehin im Norden zwischen Blüchers Schlesischer Armee und den Franzosen stattgefunden. Bis sie in voller Gewalt entbrannt waren, war es später Mittag geworden, und wegen der Verschiebung infolge der modernen Sommerzeit steuere ich meine erste dortige Station eine Stunde versetzt um halb zwei an: den Höhenzug bei Lützschena am nördlichen Ufer der Elster, über den die alliierten Truppen am Vormittag angerückt waren. Der beste Aussichtspunkt, von dem aus Blücher 1813 die französischen Verteidigungsstellungen in Lindenthal und Wahren beobachtete, wird heute vom Bismarck-Turm gekrönt. Seine architektonische Verwandtschaft mit dem Völkerschlachtdenkmal kann das 1914/15 errichtete Bauwerk nicht verleugnen, obwohl die expressiven Jugendstilelemente bei diesem kleineren und schlankeren Turm weitaus eleganter zur Geltung kommen. Für ihn wurde das Gelände noch einmal kräftig aufgeschüttet, weshalb ich auf die Felder hinaustrete, um Blüchers Blick zu haben. 1813 lagen ihm an dieser Stelle die seinerzeit teilweise durch Hochwasser überschwemmten Niederungen der Elster zu Füßen, an die sich südlich das damals riesige Auengebiet im Westen von Leipzig anschloss.
Die ersten Kämpfe fanden weiter nördlich genau um diese Zeit statt, bei Radefeld gegen halb eins mitteleuropäischer Zeit. Das Korps des in russischen Diensten stehenden Grafen Alexandre de Langeron hatte morgens den Weg vom Nachtlager in Schkeuditz zur Landstraße von Landsberg nach Leipzig genommen, während Blücher selbst mit dem preußischen Korps Yorck über die Hallesche Chaussee vorrückte. Nachdem die französischen Verteidiger nach Osten abgedrängt worden waren, bezog der preußische Marschall dann seinen Gefechtsstand vor dem Dorf Lindenthal bei der dortigen Windmühle. Solche Gebäude wurden zu diesem Zweck gern gewählt, weil sie auf den exponiertesten Höhen errichtet waren, während die Dorfkirchen, für die das meist ebenfalls gilt, häufig von Häusern oder den Bäumen von Friedhöfen umgeben waren, die keine freie Sicht aufs Umland gestatteten. Noch heute hat man von der Lindenthaler Windmühle aus einen herrlichen Blick über die Hügel und Flussauen nach Leipzig, doch ins Bauwerk selbst, das die beiden Jahrhunderte überlebt hat, kann ich nicht, weil es seit kurzem von einer Lindenthaler Familie renoviert wird. Vor dem Eingang zu ihrem Grundstück steht direkt der Blücher gewidmete Apelstein, nach dem auch die Straße benannt ist, die gleich gegenüber in den architektonischen Albtraum eines Neubaugebiets führt.
Im historischen Kern aber, den ich um halb drei erreiche, ist Lindenthal intakt geblieben. Die Lindenthaler Hauptstraße zeichnet genau den Verlauf des alten breiten Dorfangers nach, und auf der südlichen Seite liegt die alte Kirche, vor der 1913 zur Zentenarfeier ein Gedenkstein aufgestellt wurde, der von vier Kanonenkugeln und einem Eisernen Kreuz geschmückt wird und die Stelle bezeichnet, wo am 16. Oktober getötete Kämpfer beider Seiten in einem Gemeinschaftsgrab beigesetzt worden sind. Der zur Mittagszeit vollkommen ausgestorbene Kirchenvorplatz wird von einer großen Eiche beschattet; es ist das Klischeebild einer Erinnerungsstätte
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