1817 - Der Nachtmahr
ist wichtig.«
»Das meine ich auch.«
»Sollen wir dann sofort gehen?«
»Das wäre nicht schlecht.«
»Ja, ich bin dabei«, sagte sie und stand auf. »Warten Sie, ich hole nur noch meinen Morgenmantel.«
»Ja, tun Sie das.«
***
In meiner Wohnung schaute sich Helen Quest um und musste lächeln. Sie gab auch einen Kommentar ab.
»Ja, das ist der gleiche Grundriss wie bei mir.«
»Sagte ich doch.«
Eine Decke hatte sie mitgebracht. Die Couch im Wohnzimmer stand für sie bereit, ein Kissen gab es auch und den Morgenmantel behielt sie an, als sie sich auf die Couch setzte.
»Kann ich noch etwas für Sie tun?«, fragte ich.
»Ja, Mister Sinclair. Ich hätte gern etwas zu trinken.«
»Okay. Aber keinen Alkohol, denke ich.«
»Sicher.«
Sie bekam ein Gemisch aus Saft und Wasser. Während sie trank, gingen ihr die Gedanken durch den Kopf, das war ihrem Blick anzusehen, der nach innen gerichtet war.
»Woran denken Sie?«
Sie lachte leise. »Sieht man mir das an?«
»Ja.«
»Gut, dann will ich es Ihnen sagen. Ich frage mich, ob ich alles richtig gemacht habe.«
»Wie meinen Sie das?«
»Dass ich bei Ihnen bin. Vor einer Stunde habe ich Sie noch gar nicht gekannt. Jetzt sitze ich auf Ihrer Couch, um bei Ihnen zu übernachten. Das ist unglaublich.«
»Aber wichtig.«
»Kann sein, Mister Sinclair. Und wo schlafen Sie?«
»In meinem Schlafzimmer, allerdings werde ich die Tür weit offen lassen.«
»Ja, das beruhigt mich.«
»Dann legen Sie sich mal hin. Morgen sehen wir weiter.«
»Morgen?«
»Ja.«
»Sie meinen in einigen Stunden.«
»Oder auch das. Es ist wichtig, dass Sie Schlaf finden.«
»Und was ist mit Ihnen?«
»Ich habe normalerweise einen guten Schlaf.«
»Aber lassen Sie bitte das Licht hier an.«
»Auf jeden Fall. Man kann die Lampe auch dimmen. Soll ich das?«
»Wäre nicht schlecht.«
Ein nur sehr schwacher Schein breitete sich nach dem Dimmen aus, aber es war noch genügend Helligkeit vorhanden, die sogar die offene Schlafzimmertür erreichte.
Ich ging noch mal ins Bad. Dort putzte ich meine Zähne. Normalerweise hätte ich mich auch ausgezogen, das tat ich nicht. Nur die Schuhe zog ich aus und ließ mich in Hemd und Hose auf mein Bett fallen, um von dort gegen die Decke zu schauen.
Es war das große Abwarten. Ich kannte solche Reaktionen. Wahrscheinlich passierte die Nacht über gar nichts und auch in den nächsten Nächten nichts, weil die Frau sich alles nur eingebildet hatte.
Aber hatte sie das wirklich?
Daran bestanden noch Zweifel. Geringe nur, aber sie waren vorhanden, und ich wollte mir später nichts vorwerfen lassen.
Wer könnte kommen?
Ein Nachtmahr. Eine böse Traumgestalt, die Menschen malträtieren konnte. Er schlich sich in die Träume der Menschen hinein oder brachte sie ihnen selbst.
Man nannte ihn auch Alb. Oder besser gesagt: Albtraum. Er konnte jeden Menschen treffen, und einer wie er haust in den Vorhöfen der Hölle, aus denen er sich hin und wieder befreien kann.
Er nimmt sich besonders Menschen vor, die mehr labil als stabil waren, und sie konnte er sogar um den Verstand bringen. Das wusste ich auch, und mancher Psychiater konnte von diesen Menschen ein Lied singen. Es waren die, die oft nicht mehr wieder normal wurden, weil die Erlebnisse sie so stark gezeichnet hatten.
Ich hatte auch schon mit einem Alb zu tun gehabt. Mit diesem Monster der Nacht, das mir einen Besuch abgestattet hatte. Doch den hatte er sehr schnell bereut, denn auf meiner Brust lag, wenn auch meistens verdeckt, das Kreuz.
Es hatte die Traumbringer verscheucht oder sogar zerrissen. So genau war mir das nicht mehr in Erinnerung.
Eigentlich war ich müde gewesen. Eigentlich hatte ich schlafen wollen. Eigentlich hätte ich das auch jetzt durchziehen können.
Doch ich schlief nicht ein, sondern blieb wach. Wenn etwas passierte und ich die Augen geschlossen hielt, hätte ich mir später die größten Vorwürfe gemacht.
»Mister Sinclair …?«
»Was ist?«
»Tut sich bei Ihnen was?«
»Nein.«
»Bei mir auch nicht.«
»Dann wollen wir zufrieden sein.«
»Ja, Sie, aber ich nicht.«
»Was haben Sie denn?«, fragte ich.
»Ich werde immer nervöser.«
»Aha. Und warum werden Sie das?«
»Das weiß ich auch nicht. Aber je mehr Zeit verstreicht, umso nervöser werde ich.«
»Warum? Sie müssen das anders sehen. Je mehr Zeit verstreicht, in der nichts passiert, umso weniger Chancen hat der Nachtmahr, die Dunkelheit auszunutzen.«
Es dauerte etwas, bis ich die Antwort
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