Polizei-Geschichten
Polizei-
Geschichten
von
Ernst Dronke
eBOOK-Bibliothek
Ernst Dronke
Polizei-
Geschichten
(1846)
eBOOK
ebook-bibliothek.org
BIBLIOTHEK
lit era scripta manet
Ernst Dronke
(17.08.1822 – 03.02.1891)
1. Ausgabe, Dezember 2006
© eBOOK-Bibliothek 2006 für diese Ausgabe
Der Text entspricht der Buchausgabe: „Polizei-Geschichten“ von
Ernst Dronke, F. W. Goedsche Verlag Leipzig & Meißen, 1850
Armuth und Verbrechen.
„Unter den Verbrechern selbst giebt es Angeber von
Profession, die sogenannten Bigilanten. Diese Bigi-
lanten sind fast ohne Ausnahme früher bestrafte
Verbrecher, welche gewöhnlich gar keine oder
nur eine scheinbare Beschäftigung haben und als
Spione im Dienst der Polizei stehen.“ —
Der (Berliner) Publizist, Juni 1845, Nr. 6, S. 179.
n dem Kriminalgefängniß zu B. erhängte sich vor ei-
Iniger Zeit ein Gefangner, der nach den Aussagen des
Arztes und des Gefängniß-Inspektors an Schwermuth ge-
litten hatte. Die Geschichte dieses Unglücklichen, welche
wir dem Leser hier erzählen, ist ein vollkommen wahres
Ereigniß, und die folgenden Einzelheiten, wobei wir nur
die Namen verschweigen, werden vielleicht bei Manchem
die Erinnerung an die handelnden Personen erwecken.
Fritz Schenk war ein Tischler.
Er hatte als Geselle lange Zeit bei einem der größern
Meister in B. gearbeitet, und stand im Rufe eines ordent-
lichen Menschen und fleißigen und geschickten Arbeiters.
Da er für Niemand weiter zu sorgen hatte, so reichte sein
Verdienst eben zu seinen nothwendigen Bedürfnissen
aus, und nicht minder wie bei dem Meister wegen seiner
Brauchbarkeit, stand er bei den andern Gesellen wegen
seines Frohsinns in Gunst.
Eines Abends war Fritz aus der Werkstatt auf die dunkle
Straße getreten, als eine Karosse, die an einem andern Wa-
gen vorüberfuhr, ihn streifte und zu Boden warf. Er erhob
sich zwar alsogleich wieder, fühlte aber, daß sein rechter
Arm plötzlich erschlafft war. Der Herr in der Karosse ließ
bei dem Schrei, den der Handwerker unwillkührlich aus-
gestoßen hatte, halten und erkundigte sich, ob er Schaden
genommen. Auch der Meister und die übrigen Gesellen ka-
men herzu, und als sie den Verwundeten in die Werkstatt
führten, ergab sich, daß er den Arm zweimal gebrochen
hatte. Der vornehme Besitzer der Karosse ließ seine Börse
zurück, um die ersten Kosten der Heilung zu decken, und
auf die Bemerkung des Meisters, daß Schenk der tüchtig-
ste seiner Arbeiter sei, versprach er noch weitere Sorge für
ihn zu tragen.
Schenk wurde in das Stadt-Krankenhaus gebracht, wo
die langwierige Behandlung den an Thätigkeit gewohnten
Arbeiter geistig und körperlich ziemlich bedrückte. Der
Verursacher seines Unglücks bezahlte die Kosten seiner
Pflege, bekümmerte sich aber nicht weiter um ihn, und
nachdem Schenk endlich als geheilt entlassen worden war,
glaubte er seiner Verpflichtung gänzlich quitt zu sein. —
Als Schenk zu seinem Meister zurückkehrte, fand sich, daß
es mit der Arbeit keineswegs mehr so wie früher fortging.
In dem Arm war eine große Schwäche zurückgeblieben,
und war er auch nicht gerade gelähmt und arbeitsunfähig
geworden, so vermochte er doch nicht so anhaltend und
schnell zu arbeiten, wie ehedem. Er sah, daß die Mitgesel-
len ihn, der sonst stolz auf seine Arbeit war, überflügelten.
Er wurde mißgestimmt und sein Fleiß und seine Sorgsam-
keit erlahmten mit der Lust zur Arbeit. Dazu kam, daß
auch seine Verhältnisse eine neue Gestaltung bekommen
hatten.
In dem Stadt-Krankenhaus hatte Schenk ein junges
Mädchen, das seine Erziehung im Waisenhaus genossen,
zur Wärterin gehabt. In der leeren Einsamkeit dieser Stun-
den war sie sein tröstender Engel gewesen, sie hatte ihn mit
frommem, schwesterlichem Eifer gepflegt, und der junge
Arbeiter fühlte sich durch ihr sittsames Wesen mächtig
zu ihr hingezogen. Als er die Anstalt verließ, war ihm der
Umgang bereits zur nothwendigen Gewohnheit geworden.
Er benutzte Sonntags seine freien Stunden regelmäßig, um
sie zu besuchen, und die junge Wärterin verhehlte nicht,
daß sie ihn mit Vergnügen kommen sah. Die Theilnahme,
welche sie Anfangs für den Kranken gefühlt hatte, machte
einem innigeren Gefühl Platz, und als Fritz seinen Hei-
rathsantrag vorbrachte, hatte ihr Herz ihm längst schon
das Versprechen der Treue gegeben.
Schenk hoffte dazumal noch, daß die Schwäche des Ar-
mes sich allmählig durch Wiedergewöhnung an die
Weitere Kostenlose Bücher