1822 - Ich jagte die böse Äbtissin
Hauben, deren Stoff bis auf die Schultern floss, und sie machten einen völlig normalen Eindruck.
Sie schlenderten über den Markt, blieben mal hier und mal dort stehen, probierten auch etwas, kauften zudem Gemüse ein, das sie in ihre Körbe legten, bevor sie ihre Richtung änderten und in unsere Nähe kamen.
»Trinken die hier bei Ihnen Ihren Saft?«, fragte Suko.
»Ja, es sieht so aus, und es wäre nicht ungewöhnlich.«
Wir waren gespannt. Und es stimmte. Die beiden Nonnen änderten die Richtung nicht. Sie steuerten den Saftstand an, und mich überkam plötzlich ein warnendes Gefühl …
***
Darauf achtete ich nicht weiter. Zudem schickte mir mein Kreuz auch keine Warnung. Es war einfach nur mein Gefühl, das sich bei mir gemeldet hatte.
Die Nonnen traten dicht an den Stand heran. Aus der Ferne hatten sie ziemlich gleich ausgesehen. Jetzt erkannte ich, dass sie vom Alter her unterschiedlich waren. Die eine war noch recht jung, die andere fast eine Greisin, aber noch sehr rüstig und gut auf den Beinen.
Beide entschieden sich für einen frischen Orangensaft, den sie nicht zu bezahlen brauchten. Das war eben so. Ihre Einkaufskörbe hatten sie neben sich gestellt, tranken ihren Saft und schauten sich dabei um. Es lag auf der Hand, dass sich unsere Blicke trafen, da wir ja in der Nähe standen.
Ich wich ihnen auch nicht aus, sondern lächelte und deutete sogar eine leichte Verbeugung an.
Die ältere Nonne nickte zurück. Es war gut, dass ich einen ersten Kontakt hergestellt hatte, obwohl mich das seltsame Gefühl nicht verlassen hatte.
»Und?«, murmelte Suko.
»Ich weiß es nicht.«
»Du bist misstrauisch den beiden gegenüber?«
»Ja, das trifft zu.«
»Warum?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ach …«
Ich nickte. »Es ist wirklich komisch, Suko. Etwas haben die beiden Nonnen an sich.«
»Und was?«
»Ich weiß es nicht.«
»Dann gehe doch zu ihnen und frage sie.«
»Die Idee ist nicht schlecht. Ich werde sie auf das Kloster ansprechen und darauf, dass wir es besuchen wollen.«
»Gut.«
Es war alles einfach. Ich musste nur ein paar Schritte gehen, um den Kontakt aufzunehmen. Das tat ich auch. Als die beiden Nonnen sahen, dass ich auf sie zuging, nahmen sie so etwas wie eine Abwehrposition ein. Sie sahen aus, als wollten sie jeden Moment kehrtmachen und wegrennen. Dabei hatte ich ihnen nichts getan. Es ging ihnen wohl allein um meine Person.
Ich verhielt mich völlig normal, blieb vor ihnen stehen und sah, dass sich die Jüngere bewegte und sich hinter die ältere Nonne schob, als ob sie dort Deckung suchen würde.
Warum tat sie das?
Der Grund dafür konnte nur ich sein. Aber ich hatte ihr nichts getan.
Die Ältere wartete auf mich. Vor ihr blieb ich stehen und sah in ihre Augen. Man hat oft von den gütigen Blicken der frommen Frauen gesprochen. Die mochte es geben, aber nicht hier. Als ich in die Augen der Nonne schaute, da las ich in den Blicken keine Güte, eher Kälte und Abwehrbereitschaft, was ich nicht verstand, denn ich hatte ihr nichts getan.
Ich nickte ihr zu. »Hallo …«
Sie nickte zurück. Mehr passierte nicht.
Ich tat so, als würde ich ihr abwehrendes Verhalten gar nicht bemerken. Mein Lächeln war offen und freundlich.
Ich stellte Suko und mich namentlich vor und sprach davon, dass wir bewusst nach Denton gekommen waren, um etwas herauszufinden. »Wir sind nämlich dabei, ein Buch über Klöster zu schreiben, und da lag es auf der Hand, dass wir auch über das Kloster hier stolperten.«
»Was wollen Sie genau?«
»Ihr Kloster besuchen und ein Interview führen. Wenn möglich, mit Ihrer Äbtissin.«
Die Nonne schaute mich an. Es war ein fast schon böser Blick, mit dem sie mich bedachte. Sie sagte nichts, überlegte, und ich stellte fest, dass mir die Nonne immer unsympathischer wurde. Sie flüsterte etwas, aber das galt nicht mir. Es hatte sich angehört wie ein Fluch.
Eine Antwort hatte ich noch nicht erhalten und wartete darauf. Da sie nichts sagte, übernahm ich wieder die Initiative.
»Was ist denn nun?«
»Ich weiß es nicht.«
»Was wissen Sie nicht?«
»Ob man Sie reinlässt.«
»Warum nicht?«
»Sie sind fremd und ein Mann.«
»Ist das eine Sünde?«
»Ich weiß es nicht. Aber wir wollen unter uns bleiben. Da hat die Äbtissin schon ihre eigenen Regeln aufgestellt.«
»Ja, das glaube ich. Aber ich denke schon, dass wir in Ihr Kloster hineinkommen.«
»Das müssen Sie selbst wissen.« Nach dieser Antwort bedachte sie mich mit einem Blick, den man
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