1822 - Ich jagte die böse Äbtissin
unkontrolliert. So geriet das Kreuz dicht vor ihren Hals, und es kam zur Berührung.
Die alte Nonne war infiziert.
Mein Kreuz attackierte sie mit seiner Gegenkraft. Sie schleuderte ihren Kopf in die Höhe, schüttelte ihn, fiel wieder zurück und schlug mit dem Hinterkopf auf das Pflaster.
Es war ein Laut, der mir nicht gefiel. Ich konnte es nicht mehr ändern und hoffte, dass die Person nicht tot war. Sie machte den Eindruck einer Leiche, und ich sah jetzt auch die Veränderung in ihrem Gesicht. Die faltigen Wangen waren nicht mehr so bleich, sie hatten eine gewisse Rötung angenommen, und als ich mit meinen Fingern über die Wangen strich, da spürte ich die Hitze, die von ihrer Haut ausging.
Hitze?
Das war keine normale. Ich glaubte fest daran, dass es die Hitze der Hölle war, die ich hier erlebte. Der Teufel hatte seine Hände im Spiel. Jetzt verspürte er die Gegenwehr, und ich dachte daran, dass die Nonne das Opfer war, das letztendlich dafür bezahlen musste.
Und so war es auch.
Die Frau starb. Sie bäumte sich noch mal auf, ich sah das verzerrte Gesicht, dann sackte sie zusammen und blieb starr auf dem Boden liegen. Ich hatte noch nicht gesehen, was mit der Stelle geschehen war, an der das Kreuz sie berührt hatte.
Jetzt schaute ich nach.
Ja, dort waren verschiedene Kräfte aufeinander getroffen, und mein Kreuz hatte gewonnen. Die Haut war gerötet und veränderte sich jetzt auch, denn sie wurde grau und unansehnlich, und es sah aus, als wäre sie dabei zu verfaulen.
Ich schloss der Nonne die Augen und drückte mich wieder in die Höhe. Erst jetzt nahm ich meine Umgebung wieder richtig wahr und stellte fest, dass sie sich schon verändert hatte.
Da war zum einen Suko, der mit einem Konstabler zusammenstand. Es war gut, dass der Mann gekommen war, so konnte er den Ring aus Neugierigen auf Distanz halten.
»Ist sie tot?«, fragte Suko mich.
»Ja.«
»Das Kreuz?«
Ich nickte nur. Dann fiel mir etwas ein, und ich stellte sofort die entsprechende Frage.
»Wo steckt die zweite Nonne?«
Suko zuckte leicht zusammen, bewegte den Kopf und sagte: »Das weiß ich nicht. Sie ist wohl verschwunden. Geflohen.«
»Toll. Dann bestimmt ins Kloster, um dort alles zu erzählen. Das passt mir nicht.«
»Wir können es aber nicht ändern, John.«
»Ja, leider.«
Suko deutete auf die Tote. »Und sie war so stark beeinflusst, dass dein Kreuz sie vernichtet hat?«
»Ja, der Teufel hatte sie gezeichnet.«
»Und?«
»Ich freue mich schon auf den Besuch im Kloster.«
»Ich auch«, sagte Suko …
***
Pia hatte alles kommen sehen, aber sie hatte den Mund gehalten. Sie kannte die alte Nonne, die immer recht hatte, wie sie meinte. Die jüngeren Frauen hatten zu kuschen, das war ihre Devise, und da stimmte sie mit der Äbtissin überein.
Sie war die Schlimmste. Sie war eine Despotin. Diese Person war gnadenlos, sie ließ nichts durchgehen. Alles lag in ihren Händen, und Pia wusste auch, dass es noch jemanden hinter ihr gab, den die Äbtissin anbetete. Sie hatte ihn mal gehasst, dann aber war sie ihm näher gekommen und hatte die alten Rituale durchgeführt.
Das wusste Pia.
Mehr wusste sie nicht. Man hatte sie nicht eingeweiht. Dafür war sie noch zu jung. Man musste sich ihrer erst sicher sein, dann konnte sie in den inneren Kreis aufgenommen werden, aber das würde noch dauern.
Und jetzt überlegte Pia, ob sie überhaupt in diesem Kloster bleiben sollte. Fast ein Jahr war vorbei. In zwei Monaten musste sie sich entschieden haben, aber sie hatte auch gehört, dass keine Nonnen oder Novizinnen jemals geflohen waren.
Und sie?
Es war schwer, eine Entscheidung zu treffen. Im Kloster hatte sich einiges verändert. Die Mitschwestern waren auf etwas hereingefallen, was ihnen Clarissa aufgezwungen hatte. Pia war die Jüngste im Kloster, sie war noch nicht an der Reihe gewesen, und sie musste warten, bis es so weit war.
Und nun befand sie sich auf der Flucht!
Sie hatte das Durcheinander ausgenutzt und war verschwunden. Am liebsten hätte sie ihr Habit abgelegt, doch das konnte sie nicht. Andere Kleidung stand ihr nicht zur Verfügung.
Also lief sie so weiter. So schnell sie konnte natürlich, denn sie wollte den Ort hinter sich lassen. Und dann war das Kloster ihr nächstes Ziel. Dort musste sie melden, was passiert war. Auch wenn ihr vieles suspekt war, aber so groß war ihre Loyalität schon.
Der Marktplatz lag in der Mitte von Denton. Wer von dort bis zum Ortsende laufen musste, der merkte schon, dass der
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