1826 - Das Nebelheer
stehlen.«
»Das habe ich damit nicht gesagt. Ich überlasse gern jemandem das Feld, der mehr Erfahrung hat als ich.«
»Sicher, das ist verständlich. Und er kümmert sich wirklich als Polizist um derartige Dinge?«
»Ja.«
»Das habe ich noch nie gehört.«
»Dann hören Sie es jetzt.« Jane hatte keine Lust, dem Mann weitere Erklärungen zu geben. Es würde sich alles ergeben, wenn John Sinclair eingetroffen war.
Aber wann kam er?
Jane hatte nicht erst einmal verstohlen auf die Uhr geschaut, sondern mehrere Male. Sie rechnete sich ungefähr aus, wann ihr Freund hier anklopfen würde, und ging davon aus, dass sie nicht mehr lange warten musste. Und dann würde man sehen.
Ein scharfes Lachen unterbrach ihre Gedanken. Marian Drake hatte es ausgestoßen. Den Grund kannte sie nicht, wollte ihn aber erfahren und drehte sich in dessen Richtung um.
Drake stand auf der Stelle und wirkte wie eingefroren. Nur sein Kopf war es nicht, der schwankte leicht von einer Seite zur anderen. Er schaute auf das Bild. Genau das musste ihn zu der Reaktion veranlasst haben.
Auch Jane schaute jetzt hin, und dann sah sie es ebenfalls. Sie schnappte nach Luft, ihre Augen verdrehten sich und sie wollte es kaum fassen.
Die Reiter auf der Leinwand waren wieder dabei zu verschwinden.
Marian Drake stöhnte leise auf. Er konnte keinen Kommentar abgeben. Er streckte seine Arme und die Hände nach vorn aus. Er bewegte zudem den Mund, aber er war nicht fähig, auch nur ein Wort zu sagen.
Jane Collins sagte auch nichts. Aber sie wollte es genau wissen. Eine Erklärung brauchte sie, und deshalb unternahm sie auch einen Versuch.
Sie näherte sich dem Bild, um es anzufassen, vielleicht gab man ihr die Chance, und als sie nahe genug heran war, hörte sie die Warnung des Hausbesitzers.
»Seien Sie vorsichtig!«
»Geht schon klar.« Die Antwort war nur so dahingesagt. In Wirklichkeit schoss ihr ein anderer Gedanke durch den Kopf, und den wollte sie in die Tat umsetzen. Die Leinwand war wichtig, aber das Motiv noch wichtiger, denn sie wollte versuchen, die Reiter aufzuhalten oder zumindest einen Kontakt mit ihnen bekommen.
Sie fasste die Leinwand an – und schrie auf. Jane glaubte, einen elektrischen Stoß erhalten zu haben. Sie konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, taumelte zurück, und da gab es keinen Halt mehr, mit dem sie ihre Schwäche ausgleichen konnte.
Deshalb landete sie auf dem Boden.
Ein stechender Schmerz durchwühlte ihren Rücken und hörte erst am oberen Wirbel auf. Für einen Moment hatte sie das Gefühl, sich nicht mehr bewegen zu können. Sie sah auch Marian Drake auf sich zulaufen.
Er blieb stehen und bückte sich. Das Gesicht mit dem besorgten Ausdruck darin schwebte über Jane.
»Was war denn los?«
Jane versuchte, eine Antwort zu geben. Es fiel ihr nicht leicht. Sie musste ihre Stimme erst irgendwo wieder holen. Und auch dann konnte sie nur flüstern.
»Ich habe es versaut …«
»Ach, hören Sie auf. Gar nichts haben Sie versaut. Es ist alles noch im grünen Bereich.«
»Und die Reiter?«
»Sind weg.«
Jane lachte auf. Dann sagte sie: »Das habe ich mir gedacht. Sie wollten weg, und sie ließen sich nicht aufhalten.«
»Stimmt!«
»Aber wohin wollten sie?«
»Fragen Sie mich was Leichteres.«
Das tat Jane Collins nicht. Sie hockte noch immer auf dem Boden und traf auch keinerlei Anstalten, sich zu erheben. Aber ihre Gedankenflut ließ sich nicht stoppen.
Sie kam auch zu einem Ergebnis, und das behielt sie nicht für sich. »Ich kann mir vorstellen, wohin sie sind.«
»Dann sagen Sie es.«
»Sie begeben sich bestimmt wieder in den Wald. Möglicherweise wissen sie sogar, dass jemand auf dem Weg zu uns ist, und den wollen sie so empfangen, wie sie mich empfangen haben.«
»Sie meinen diesen Sinclair?«
»Genau den.«
Marian Drake sagte nichts. Er schabte nur über sein Kinn. »Ja, das könnte sein«, gab er zu. »Dann bin ich aber mal gespannt, ob Sinclair es bei ihnen schafft.«
»Darüber mache ich mir keine Gedanken. Wenn es einer schafft, dann John Sinclair.«
»Sie meinen, dass er sich den Weg hierher erkämpft?«
»Genau das.«
Drake war überrascht, das verhehlte er nicht. »Sie trauen ihm einiges zu.«
»Ja, weil ich ihn lange genug kenne. Ich denke nicht, dass wir uns um ihn große Sorgen zu machen brauchen.«
Jane hatte es mit fester Stimme ausgesprochen, aber überzeugt war sie davon nicht …
***
Also doch. Sie hatten mich gefunden. Dieser Gedanke schoss mir durch den
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