1831 - Requiem für den Smiler

Wesen ausschlüpfen."
    Ich wollte ihr die Vorfreude auf die Überraschung nicht nehmen. Darum verriet ich ihr nicht, was ich eben im Bericht der Simple Minds gesehen hatte.
    „Bin schon zu dir unterwegs", sagte ich bloß.
    Ich mußte mich noch ein wenig gedulden, weil die MERLIN gerade von sieben Igelschiffen der Gazkar gejagt wurde. Wenn es sich um einen Notfall gehandelt hätte, hätte ich mich natürlich während des Gefechts hinüber transmittieren lassen können. Aber so eilig war die Sache nun doch nicht; ich ahnte bereits, was Arfe mir zu bieten hatte.
    Die MERLIN setzte die Igelschiffe mit verbissenem Sperrfeuer unter Druck. Aber sie konnte keinen wirkungsvollenTreffer verzeichnen, mußte sich deshalb zurückziehen. Nach einer kurzen Überlichtetappe meldete sich das Zentralmodul der GILGAMESCH vom neuen Standpunkt, der eine halbe Lichtstunde von dem entfernt war, an dem der Kampf gegen die Tolkander stattgefunden hatte.
    Ich ließ die RICO Kurs dorthin nehmen und strahlte mich dann per Transmitter ab.
    Arfe Loidan empfing mich mit vor Aufregung gerötetem Gesicht. Ich hatte sie zuvor selten so aufgekratzt und bei so guter Laune gesehen - eigentlich noch nie.
    „Ich habe schon befürchtet, aus der Vivoc würde überhaupt nichts mehr werden", sagte sie und ging mir voran zu den Brutglocken. „Aber als dann vor sechs Stunden bei zwei Larven der Entwicklungsprozeß einsetzte, da war ich mir meiner Sache sicher. Die Diagnosegeräte geben den beiden Larven die besten Befunde. Es wird sich also um keine Totgeburten handeln."
    Arfe wies auf zwei der fünf noch lebenden Larven. Es war deutlich zu erkennen, daß sich die beiden Hüllen verhärtet hatten.
    Der Scanner, der die Vivoc durchleuchtete, zeigte in einer der Schalen einen Embryo in bereits fortgeschrittener Entwicklung. Das kleine Wesen lag zusammengerollt in der-Hülle, die tentakelartigen Glieder eng an den Leib gepreßt. Der Kopf war deutlich zu erkennen, aber das Horn am vorderen Ende hatte sich noch nicht ausgebildet.
    „Es ist unglaublich, mit welchem Tempo die Entwicklung fortschreitet", sagte Arfe mit leuchtenden Augen. „Innerhalb von nur sechs Stunden sind aus neutralem Zellmaterial fast fertige Wesen entstanden. Du müßtest dir den Vorgang durchs Mikroskop anschauen. Das ist ein Erlebnis, das dir einen unvergeßlichen Eindruck von der elementaren Kraft des Schöpfungsprogrammes vermittelt. Selbst Klonprozesse fahren dagegen nur im Schneckentempo."
    „Ein andermal", sagte ich distanziert, um mich von Arfes Eifer nicht anstecken zu lassen. „Ich habe nicht die Zeit, mich am Schöpfungsprogramm zu delektieren. Ich erwarte schon bald die nächste Sendung der Simple Minds."
    „Alles in Ordnung mit ihnen?" fragte die Xenomedizinerin mit deutlich hervorgekehrtem Interesse.
    Aber offenbar war sie mit all ihren Gedanken bei der Vivoc. Seit sie wußte, daß die Simple Minds auf Lokvorth am Leben waren, war sie beruhigt und schien sich ihrer Gewissensbisse entledigt zu haben.
    „Carrae, einer von meinen Leuten, hat es erwischt", antwortete ich und schilderte ihr das Geschehen.
    „Der Tangle-Scan wird ihn inzwischen voll erwischt haben. Aber vielleicht ist es für ihn besser so. Der SERUN hat ihm klaustrophobische Angstzustände bereitet. Früher oder später hätte er den Verstand völlig verloren."
    „Dabei habe ich mich darum gesorgt, daß Tek seine Klaustrophobie zum Verhängnis werden könnte", meinte Arfe. „Wie geht es ihm, ich meine Tek?"
    „Mal so, mal so. Insgesamt besser als befürchtet. Die Tolkander setzen den Simple Minds im Augenblick mehr zu, als es der IQ-Dimmer tut. Bei der nächsten Gelegenheit werde ich versuchen, mit ihnen in Verbindung zu treten und ihnen ein Versteck zuweisen. Dann hole ich sie raus."
    „Tu das!"
    Ich deutete auf die zweite Larve. Deren Hülle wies ein Netzwerk feiner Risse auf. Ich kannte dieses Symptom baldigen Schlüpfens von den Bildern aus Lokvorth-Therm, stellte mich jedoch unwissend.
    „Was bedeuten die Risse? Ist die Vivoc beschädigt?" fragte ich.
    „Alles bestens mit ihr", sagte Arfe beruhigend. „Diese Larve ist nur schon weiter entwickelt als die andere. Sie wird jeden Moment schlüpfen. Ich verrate dir nicht, was es werden wird."
    „Ein Tolkander, will ich doch hoffen", sagte ich trocken.
    In diesem Moment platzte die Hülle auf, Fruchtwasser sickerte heraus. Dann arbeitete sich ein winziges zitterndes Wesen mit sechs tentakelähnlichen Gliedmaßen durch die Öffnung. Mit seinen