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1848 - Zerrspiegel

Titel: 1848 - Zerrspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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konnte es kaum fassen, als die Gehirnströme plötzlich auf ein nahezu normales Niveau zurückgingen und die Körperfunktionen wieder ihre Arbeit aufnahmen. Der Blutdruck stieg, ebenso die Körpertemperatur. In die eingefallenen Wangen kehrte allmählich Farbe zurück, das Muskelzittern hörte auf, die Atmung normalisierte sich.
    Die Freude war jedoch nur kurz. Das kugelförmige Projektionsfeld fiel nicht in sich zusammen, sondern blieb weiterhin bestehen. Das bedeutete, daß die Zwillinge die Verbindung entweder nicht lösen konnten - oder nicht wollten.
    Es kam noch schlimmer. Als die beiden das Bewußtsein wiedererlangten, wurden sie von Krämpfen geschüttelt. Einige Minuten lang waren sie nicht in der Lage zu sprechen.
    Atlan saß still bei ihnen, hielt ihre zitternden Hände und streichelte sie behutsam.
    Schließlich faßte sich Mila langsam; ihr verschleierter Blick glitt zu der Projektionswand.
    Atlan wagte nicht zu sprechen, beide waren weiterhin nicht recht bei sich. Er konnte sich nicht ausmalen, was sie Furchtbares gesehen haben mochten, um derart zerrüttet zu sein.
    Mila war die erste, die zu reden anfing; jedoch ohne Einleitung. Wie eine Maschine ratterte sie eine Reihe von Sätzen herunter, ohne Erläuterung oder Klärung dessen, was sie tatsächlich erlebt hatte.
    „Die Lehren des Philosophen sind", begann sie mit stockender, völlig fremder und abwesender Stimme, „erstens: Alle Bewohner eines Sonnensystems sollen unter der Führung des Philosophen zu einer geistigen Einheit verschmelzen.
    Zweitens: Jeder Jünger ist ein Kreis innerhalb des großen Ganzen, des großen, das gesamte Sonnensystem umspannenden Kreises.
    Drittens: Im Zentrum des systemumfassenden Kreises agiert der Philosoph, das st der Innere Kreis.
    Viertens: Alle sich im Inneren Kreis befindlichen Intelligenzen tragen unmittelbar zur Entstehung des Bauwerks bei.
    Fünftens: Alle Jünger eines ganzen Systems sollen unter der Leitung des Philosophen ihre ganzen Kräfte zur Erhaltung des Bauwerkes beitragen.
    Sechstens: Ist das Bauwerk erst einmal festgestellt, dann sollen die Jünger dem Augenblick entgegenfiebern, da sie ... da sie ... für die Schmückung des Bauwerks ... darbringen ... ein ... ein Opfer ..."
    Milas Erzählung war ins Stocken geraten, sie konnte die Worte nicht mehr in die richtige Reihenfolge bringen; wie ein Schauspieler, der seinen Text vergessen hatte.
    Sie konnte nicht mehr weitersprechen, schluchzend vergrub sie das Gesicht in den Händen, von einem Weinkrampf geschüttelt.
    „Mein Gott, was habt ihr nur gesehen?" flüsterte Atlan.
    Er drückte Mila an sich, die das vermutlich nicht einmal spürte.
    „Wir haben es gesehen", stieß Nadja zitternd hervor. „Die Zukunft ... Tod und Vernichtung ... und es kann jeden Augenblick wahr werden ..." Ihr brach die Stimme. „Vielleicht ist es schon wahr geworden?
    Niemand kennt mehr die Zeit ..."
    Sie streckte die Arme nach ihrer Schwester aus und zog sie an sich. Die beiden umschlangen einander und weinten lautlos.
     
    *
     
    Die Medos gaben dem Arkoniden Auskunft, daß mit den Zwillingen abgesehen von einer völligen Erschöpfung körperlich alles in Ordnung sei. Sie verabreichten ihnen jedoch ein Beruhigungsmittel.
    Danach würden die Vandemars schlafen, ihre Kräfte konnten sich regenerieren, und auch ihr seelischer Zustand würde sich dadurch bessern.
    Atlan hoffte, daß er daran glauben konnte. Die Zwillinge waren nicht nur übermüdet, sie hatten offenbar etwas Furchtbares gesehen. Er hoffte, daß sie keinen Schockzustand erleiden würden.
    Viel hatten sie nicht berichten können. Atlan hatte nun die Lehren des Philosophen erfahren, aber er wußte nicht, um was für ein Wesen es sich handelte. Auch was das Bauwerk darstellen sollte, war nicht klar, ebensowenig, welchen Weg letztlich all die Jünger des Philosophen nehmen würden.
    Ob es sich bei dem, was die Schwestern gesehen hatten, „nur" um eine Vision oder um einen Blick in eine tatsächlich stattfindende - unabwendbare? -Zukunft handelte, war nicht klar. Das bereitete dem Arkoniden mehr Angst als alles andere.
    Lagen die Fäden noch in ihren eigenen Händen, oder waren sie bereits von anderen, den Tolkandern, übernommen worden?
    Es kann jeden Augenblick wahr werden.
    Das war der schlimmste Ausspruch gewesen. Er erinnerte Atlan an das Warten auf den Tod, als das Gliederschiff auf die Erde gestürzt war.
    War auch dies nur eine Vision gewesen oder ein Blick auf eine Zukunft, die unausweichlich

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