1851 - Dreizehn Seelen für den Satan
dieser neu erlangten Jugend nur um einen Aufschub handelte.
Sie griff sich an die Schläfen, als sich die Erinnerungen Bahn brachen.
Tatsächlich war sie eine Hexe. Vor undenklich langer Zeit hatte sie einen Pakt mit dem Gehörnten geschlossen, der ihr die ewige Jugend zugesichert hatte. Um ihre Lebensspanne zu verlängern, war es jedoch erforderlich, dass sie dem Satan in regelmäßigen Abständen mehrere Blutopfer darbrachte. Unterblieb dies, so begann ihre gestohlene Jugend dahinzuwelken.
Genau das war mit ihr geschehen.
Nach all den vielen Jahren hatte sie sich zu sicher gefühlt und es versäumt, die Opferungen rechtzeitig darzubringen. Der Zorn des Gehörnten hatte sie mit voller Wucht getroffen.
Und das völlig zu Recht, wie sie zugeben musste.
Sie warf einen Blick auf den verrenkt daliegenden Körper des nächtlichen Eindringlings. Dieser musste ein Geschenk der Hölle gewesen sein. Ohne sein kräftigendes Blut hätte sie sich nicht mehr von ihrem Lager erheben können und wäre über kurz oder lang gestorben, um der ewigen Verdammnis anheimzufallen.
Nun jedoch hatte sie die Gelegenheit, den Gehörnten um Verzeihung anzuflehen und ihn durch ihre Opfer milde zu stimmen.
Doch dazu musste die Hexe natürlich unter Menschen. Früher, vor vielen Jahren, war sie eine Intrigantin gewesen, der es stets gelungen war, feinmaschige Netze des Bösen zu spinnen, in der sich ihre Opfer wie von selbst verfingen. Es wäre doch gelacht, wenn ihr dies nicht auch diesmal wieder gelingen würde …
Die Hexe wandte sich vom Spiegel ab. Auf dem nahen Tisch konnte sie ihr vertrautes Zauberbuch erkennen. Ohne zu zögern nahm sie es an sich und verließ dann das Haus, ohne noch einmal zurückzublicken.
Dayna hatte man sie einst genannt, vor vielen Jahrhunderten, als sie ihr weiteres Leben dem Gehörnten geweiht hatte.
Die Wälder hatten sich seitdem kaum verändert. Uralt waren sie, so wie auch Dayna uralt war.
Die Hexe schloss kurz die Augen und rief sich die nähere Umgebung der Hütte ins Gedächtnis zurück.
Pluckley war nicht allzu weit entfernt, doch der Ort war zu groß. Sie wusste, es musste etwas kleineres sein. Noch war sie nicht stark genug, um so agieren zu können, wie sie gern wollte.
Ein kurzer Moment des Überlegens folgte. Besser wäre es, wenn sie es in ihrer alten Heimat versuchte. Dabei handelte es sich um ein kleines Dorf namens Morley, das ihr für ihre Zwecke hervorragend geeignet schien.
Wieder ließ Dayna ein perlendes Lachen hören, dann setzte sie sich übergangslos in Bewegung und ging tiefer in den Wald hinein.
Morley erwartete sie. Dort würde sie die nötigen Blutopfer finden und sich den Ort untertan machen.
Dreizehn Seelen waren es, die sie dem Leibhaftigen zum Opfer darbringen musste, um ihre Kraft und Jugend zu erhalten.
Dreizehn Seelen für den Satan …
***
Wenige Minuten, nachdem die Hexe das Haus verlassen hatte, war im Zimmer plötzlich ein leises Stöhnen zu hören. Ein Zucken durchlief den hingestreckten Körper Mike Dawsons. Unendlich langsam kehrte das Leben in seinen Körper zurück.
Mit einem Schmerzenslaut drehte sich der Verbrecher auf den Rücken und versuchte sich zu erinnern, was mit ihm geschehen war. Es gelang ihm nicht auf Anhieb. Seine Gedanken waren unzusammenhängend. Die Verletzung setzte ihm ordentlich zu. Er war dem Tode näher als dem Leben.
Dawson blieb einen Moment lang reglos liegen und sammelte sich. Dann erst versuchte er sich hochzustemmen.
Vergeblich.
Mit einem Stöhnen sackte der Verbrecher wieder in sich zusammen. Nur allmählich klärten sich seine Gedanken. Der rote Nebel, der das Innere seines Schädels ausfüllte, verzog sich langsam.
Dawson wusste, er musste schleunigst hier weg, bevor die Hexe zurückkam. Er hatte keinen blassen Schimmer, in was für eine Geschichte er hineingeraten war, aber hier durfte er um keinen Preis der Welt bleiben. Eine zweite Begegnung mit der unheimlichen Frau würde er nicht überleben.
Die Zeit drängte, das war Dawson völlig klar. Immerhin konnte die Hexe jeden Moment zurückkommen.
Tapfer ignorierte der Schwerverletzte seine Schmerzen. Die Todesangst verlieh ihm neue Kraft und tatsächlich schaffte er es nun, sich hochzustemmen.
Torkelnd kam er wieder auf die Füße. Dawsons Hals brannte wie Feuer. Mit äußerster Vorsicht tastete er nach der Verletzung. Als er die ausgefranste, verkrustete Wunde spürte, lief es ihm kalt den Rücken hinunter. Es fühlte sich an, als sei ein Raubtier über ihn
Weitere Kostenlose Bücher