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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ganz heran, sondern blieben in einiger Entfernung von uns stehen. Der Scheik sagte:
    „Ich komme nicht um meinetwillen, sondern nur um dieser beiden Männer wegen. Sie wollen von euch etwas holen und fürchten, von euch feindlich behandelt zu werden. Da sie als Gastfreunde unter meinem Schutz stehen, habe ich dafür zu sorgen, daß dies nicht geschehe, und sie also begleitet. Dürfen sie hinkommen zu euch?“
    „Ja“, antwortete Halef.
    „Ihr vergreift euch nicht an ihnen und haltet sie fest?“
    „Das kann uns gar nicht in den Sinn kommen!“
    „So habe ich meine Pflicht getan und werde hier stehen bleiben, um auf sie zu warten. Geht!“
    Diese letztere Aufforderung war an den Ghani gerichtet, welcher ihr folgte, indem er mit dem Blinden vollends zu uns kam. Er deutete auf das Paket, welches neben dem Perser lag und sagte:
    „Ihr habt mir dieses mein Eigentum gestohlen, welches ihr als Kanz el A'da bezeichnet, um euern Diebstahl – – –“
    „Halt!“ unterbrach ich ihn da. „Wir haben euch erlaubt, mit uns zu sprechen, und unser Wort gegeben, daß euch nichts geschehen soll. Wenn du es aber wagst, uns solche schamlose, freche Beschuldigungen, deren Grundlosigkeit du am allerbesten kennst, in das Gesicht zu werfen, so stehe ich für nichts. Sag' also kurz, was du willst, und nimm dich zusammen, kein unnützes Wort zu sprechen!“
    Er schien sich gar nicht sehr eingeschüchtert zu fühlen, fuhr aber nun ohne weitere Beleidigungen fort:
    „Die Sachen sind in meinen Gebetsteppich gewickelt. Ich muß sie euch lassen, weil der Scheik der Beni Khalid sie euch zugesprochen hat; aber den Teppich verlange ich zurück!“
    „Du irrst. Es hat uns niemand diese Gegenstände zugesprochen, sondern das Wüstengericht der Haddedihn hat erkannt, daß sie Eigentum des Kanz el A'da in Meschhed Ali sind, wo sie gestohlen wurden. Daß ein Teppich des Gebetes zur Umhüllung gestohlener Sachen benutzt wird, könnte man vielleicht einem ungläubigen Abd el Asnahm (Heide, Götzendiener), nie aber dem ‚Liebling des Großscherifs‘ von Mekka zutrauen. Ihr habt da eben ganz Unglaubliches geleistet. Daß ein so entweihter Teppich wieder seine fromme Benutzung finden werde, halte zwar ich für ganz ausgeschlossen, euch aber ist das allerdings wohl zuzutrauen – – –“
    „Ibn Harahm! Cha'in!“ (Schurke! Schuft!) rief der Blinde laut dazwischen, indem er mit der Gebärde tiefsten Abscheus seine Hände emporwarf.
    Ich wußte in diesem Augenblicke nicht, wem das gelten sollte, und fuhr also fort:
    „Es fällt uns gar nicht ein, uns an diesem Stück zu bereichern; es wird dir gleich zurückgegeben werden.“
    „Ja, sofort!“ stimmte der Basch Nazyr bei. „Es kann mir bloß lieb sein, wenn ich nichts mehr zu berühren brauche, was Eigentum von Dieben ist.“
    Er wickelte das Paket auf, legte die Beutel einstweilen neben sich und warf dem Ghani den Teppich samt der Schnur zu. Dieser hob beides auf.
    „Seid ihr nun fertig?“ fragte ich.
    „Nein. Der Münedschi ist auch da“, antwortete der ‚Liebling‘.
    „Was will er?“
    Da trat der Blinde, dem Klang meiner Stimme folgend, nahe zu mir heran und sagte:
    „Damit ich mich ja nicht irre, muß ich Wissen, ob du der Effendi aus dem Wadi Draha bist. Du hast seine Stimme, ich könnte mich trotzdem täuschen und einen großen Fehler begehen. Was ich dir zu sagen habe, ist für keinen andern. Also du bist es?“
    „Ja.“
    „Neige dein Gesicht ganz nahe her zu mir! Du weißt, daß ich dich dann erkennen kann, weil die Sonne scheint.“
    Ich hatte keinen Grund, ihm diese Bitte abzuschlagen, und hielt ihm das Gesicht hin. Er hob die Hände, faßte hüben und drüben meinen Kopf, hielt ihn fest und – – – spie mir ein-, zwei-, dreimal in das Gesicht. Auf so einen Angriff gar nicht gefaßt und von ihm mit allen seinen Kräften festgehalten, gelang mir die Befreiung meines Kopfes nicht schnell genug, der dreimaligen Mißhandlung zu entgehen. Ein fünfzigfacher Schrei der Haddedihn ertönte rundum, und Halef packte mit beiden Fäusten den Blinden an der Brust.
    „Mensch! Wahnsinniger!“ schrie er ihn, ganz außer sich, an. „Was hast du getan! Du bist ein Greis und blind dazu, aber das soll mich nicht abhalten, dich zu Brei zu malmen!“
    Er hatte ihn schon fast nieder; ich griff also, ohne mich abwischen zu können, schnell zu, riß ihn von dem Münedschi weg und befahl mit lauter Stimme:
    „Daß keiner den Blinden anrührt! Diese Beleidigung geht nur mich an,

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