19 - Am Jenseits
getroffene, friedliche Vereinbarung!“
Da drängte ihn Halef von ihnen ab und antwortete drohend:
„Zurück mit dir, augenblicklich zurück! Wer hat sie zuerst gebrochen, wir oder ihr? Das weiche Herz unsers Effendi hat den Münedschi geschont, weil der alte Mann blind und auch sonst unzurechnungsfähig ist, dem Ghani aber, diesem Ausbund der maßlosesten Unverschämtheit, muß gezeigt werden, daß wir ihn mit demjenigen Eifer zu behandeln wissen, den wir seinem Verhalten schuldig sind. Ich an deiner Stelle würde mich schämen, hier noch von Schutz zu sprechen! Eure Dreistigkeit ist geradezu empörend!“
Er nahm sich aber doch des Gezüchtigten an, indem er ihn aus den Händen der Haddedihn befreite, was allerdings nicht allzuschnell vonstatten ging. Die ‚eifrige Behandlung‘ hatte zur Folge, daß er fast des Gebrauches seiner Glieder beraubt war. Er hinkte zu dem Münedschi hin und ergriff seine Hand, um ihn fortzuführen; dies geschah aber nicht, ohne daß er uns noch drohend zuzischte:
„Wartet bis Mekka, bis Mekka! Oder vielleicht noch viel, viel eher, ihr Hunde!“
Der Scheik entfernte sich mit schnellen Schritten. Sein ‚Schützling‘ krümmte sich, so gut oder übel er konnte, mit dem Blinden hinter ihm her.
„Ich habe schon viel, sehr viel erlebt“, meinte Halef, „und so manchen von Gott verlassenen Menschen kennengelernt, aber so etwas hätte ich doch nicht für möglich gehalten! Doch, er hat für einstweilen seinen Lohn, und wahrscheinlich wird er uns in dieser Beziehung noch besser kennen lernen! Aber, Effendi, du warst ganz still! Warum hast du zu dem Münedschi kein einziges Wort der Verteidigung gesagt? Nun ist er überzeugt, daß er recht habe!“
„Erstens ging alles so schnell, daß es für mich keine Zeit zum Sprechen gab, und zweitens war es wohl genug von mir, daß ich überhaupt schwieg. Und wenn ich ihm eine stundenlange Rede gehalten hätte, so wäre sie doch ohne Erfolg geblieben. Ich habe ihm verziehen und denke, daß für jetzt nicht mehr erforderlich war. Betrachten wir diesen so ganz unerwarteten Angriff als ungeschehen!“
„Gut! Es ist wohl auch am richtigsten so! Wir haben jetzt an Dinge zu denken, welche für uns wichtiger sind als diese grundlosen Beschuldigungen aus dem Munde eines armen, mißgeleiteten, blinden Mannes. Ich hätte ihn in der ersten Hitze umbringen können; nun aber freue ich mich, daß du mich davon abgehalten hast, ihn zu züchtigen. – Was tun wir jetzt? Wann setzen wir unsere Reise fort?“
„Morgen früh.“
„Erst? Warum nicht schon heut?“
„Weil wir erst an der Aïn Bahrid Wasser finden und sie heut' nicht erreichen würden, denn die Beni Khalid sind zwischen uns und ihr. Ich vermute überhaupt, daß wir nicht so schnell, wie wir es wünschen, an diese Quelle kommen werden; die Rache Ben Schahids hält uns auf. Darum haben wir uns vor allen Dingen mit Wasser zu versehen und werden den heutigen Tag zur Füllung unserer Schläuche benutzen, doch nicht eher, als bis Khutab Agha dies mit den seinigen getan hat.“
„Warum ich?“ fragte der Perser.
„Weil du natürlich so bald wie möglich fortreitest.“
„So bald wie möglich? Nein, Effendi! Ich habe gesagt, daß wir diesen Ort nicht eher als ihr verlassen werden, und von diesem Vorhaben bringt mich niemand ab, auch du nicht. Soll Dschafar, unser gemeinschaftlicher Freund, wenn ich ihn treffe, mir den erstaunten Vorwurf machen, daß ich mit Kara Ben Nemsi zusammen gewesen bin und dieses Glück, diesen Vorzug nicht bis zum letzten Augenblick ausgenützt habe? Und wenn du mir alles zumuten darfst, alles andere, aber nur das nicht!“
„So ist es meine Pflicht, dich zu warnen! Der Scheik der Beni Khalid ist ohne Zweifel gewillt, dir den Kanz el A'da wieder abzunehmen. Jetzt, wenn du dich so bald wie möglich von hier entfernst, muß er darauf verzichten; bleibst du aber bis morgen hier, so gibst du ihm Zeit, diese seine Absicht auf irgendeine Weise auszuführen. Das mußt du bedenken!“
„Ich bedenke es und bleibe dennoch da. Auf mein gestriges Zusammentreffen mit ihm war ich nicht vorbereitet; nun ich aber weiß, woran ich bin, kann es ihm unmöglich gelingen, mich zum zweitenmal festzunehmen. Also, ich bitte dich, rede mir nicht darein; ich bleibe!“
Er sagte das in einem so bestimmten Ton, daß ich die Vergeblichkeit jedes weiteren Einspruches einsehen mußte und also schwieg, obgleich ich es viel, viel lieber gesehen hätte, wenn er von diesem seinem Vorhaben
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