19 - Am Jenseits
solche durchschauen wir dich nur zu wohl. Du sollst also auf deine Anfrage nicht eine kindische Zusage, sondern eine Männerantwort zu hören bekommen, und diese lautet folgendermaßen: Ihr verlaßt den Bir Hilu sofort und gebt uns für heute den ausbedungenen Frieden. Wenn ihr das tut, so versprechen wir dir die gewünschte Verschwiegenheit für uns so lange, als uns nichts Feindliches von euch widerfährt. Das ist unser Entschluß, zu welchem nichts getan und von welchem auch nichts genommen wird.“
„Hast du nichts hinzuzufügen?“
„Nein; ich sage es ja; kein Wort!“
„Also ihr werdet schweigen, so lange euch von uns nichts geschieht?“
„Ja.“
„Gut, ich bin zufrieden!“
„Dieser jetzige Handel gilt?“
„Ja.“
„Du gibst dein Wort?“
„Ich gebe es!“
„Reiche Hadschi Halef Omar, dem Scheik der Haddedihn, deine Hand darauf, dann sind wir fertig!“
Er tat es, hielt die Hand Halefs fest, sah ihm und dann auch mir ebenso fest in die Augen und wiederholte, jedes Wort einzeln und schwer betonend:
„Ihr schweigt, so lange euch von uns nichts geschieht! Abgemacht! Wir reiten fort!“
Hierauf drehte er sich um und ging hinüber zu seinen Leuten. Halef sah mich fragend an und schüttelte den Kopf.
„Dir ist etwas nicht klar?“ fragte ich ihn.
„Allerdings!“
„Was?“
„Warum wiederholte er diesen Satz und betonte ihn in solcher Weise, Effendi?“
„Weil er ein höchst unvorsichtiger Mann ist, der gar nicht ahnt, daß er uns seine Absichten damit verraten hat.“
„Wieso?“
„Du glaubst doch, daß die Beni Khalid darauf brennen, sich an uns zu rächen?“
„Das ist doch so sicher, daß wir gar kein Wort darüber zu verlieren brauchen!“
„So dauert also unsere Verschwiegenheit von heut an bis zum nächsten Angriff ihrerseits; da der Scheik aber unserer Schweigsamkeit nicht traut, wird er diese Zeit möglichst abzukürzen, zu verringern suchen. Verstehst du mich?“
„Sehr gut, sehr gut! Du meinst, daß wir es baldigst wieder mit ihnen zu tun haben werden.“
„Ja. Heut zwar nicht, denn Wort wird er halten, aber sehr wahrscheinlich morgen schon, und wenn das nicht, dann sicher übermorgen, damit wir nicht etwa Gelegenheit bekommen, mit Leuten zusammenzutreffen, denen wir von seinem Schwurbruch erzählen können. Wir haben uns also so in acht zu nehmen, wie noch selten in unserm Leben. Das hat er uns verraten, ohne es zu wissen. Er wollte uns unsere Verpflichtung so tief und fest wie möglich einprägen und dachte dabei aber nicht, daß grad in dieser Wiederholung für einen vorsichtigen und scharfsinnigen Mann die Aufforderung lag, zwischen seinen Worten die verborgenen Gedanken herauszulesen.“
Omar Ben Sadek sah sich also zu seinem wirklichen Leidwesen gezwungen, auf eine der Ehre seines Stammes geltende Heldentat zu verzichten. Er versicherte, sich darauf gefreut zu haben, und wir alle glaubten ihm das gern. Eigentlich trug ich die Schuld an dieser Entsagung, denn wenn ich nicht auf den Gedanken gekommen wäre, dem Scheik der Beni Khalid die erteilte Lektion zu geben, so hätte der dritte Gang wohl noch ausgekämpft werden müssen; aber dann wäre uns nicht durch den Wortbruch Tawils eine Waffe in die Hand gegeben worden, die nicht nur für heut', sondern auch für später geeignet war, uns gute Dienste zu leisten.
Wir sahen zu unserer Genugtuung, daß sich die Beni Khalid zum schnellen Aufbruche rüsteten. Daß sie nicht direkt nach der Aïn Bahrid reiten würden, stand für mich außer allem Zweifel. Ich hatte diese Quelle und ihre Lage, als er von ihr sprach, gekannt, weil sie auch unser nächstes Ziel war, nach welchem wir uns zu wenden hatten, gleichviel, ob die Beni Khalid auch hingingen oder nicht. Sie war die nächste Wasserstation auf unserer Route.
Eigentlich konnten wir mit unserm Erfolg sehr zufrieden sein. Wir hatten die gestohlenen Sachen bekommen und den Perser mit seinen Soldaten befreit, wir Fünfzig gegen eine uns so vielfach überlegene Schar! Ja sogar den Kampfplatz hatten wir behauptet, während die Überlisteten und Besiegten gezwungen waren, abzuziehen!
Als ihre Vorbereitungen ziemlich vollendet waren, sahen wir den Scheik noch einmal herüberkommen. Hinter ihm ging zu unserem Erstaunen der Ghani, welcher den Münedschi an der Hand führte. Daß dem ersteren noch etwas eingefallen war, was er uns nachträglich zu sagen hatte, das war ja leicht denkbar; was aber wollten die beiden andern noch hier bei uns?
Sie kamen zunächst nicht
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